January 16, 2010



1966

So um die sechzehn herum hasste ich sie. Mama war plötzlich zu meiner Rivalin geworden.
Jede einzelne Zelle zog sich zusammen, wenn ich sie, eingehüllt in eine Wolke von Worth – ein umwerfender, sauteurer Duft – durch den Flur schweben sah. Zum Ausgehen bereit.
Ihr dunkelbraunes Haar locker aufgesteckt, strahlende Rehaugen im ausdrucksvollen Gesicht, eine Taille, die mit zwei Händen zu umfassen war.
Neben ihr kam ich mir wie eine fade Made vor.

Erst nach der Geburt meines Sohnes konnte ich sie vorbehaltlos lieben.
Sie ist die einzige, die sich um mich sorgt, statt umgekehrt.
Bei ihr kann ich klein sein.


(c) Elsa Rieger

12 comments:

petros said...

Jungen machen Väter zu Helden, das war mir klar.
Dass Mädchen Mütter zu Rivalinnen machen, wusste ich nicht, klingt aber einleuchtend.

Mir gefallen diese autobiographisch anmutenden Texte sehr.

Gruß
Petros

Elsa Rieger said...

Lieber Petros, hat was mit dem Ödipus zu tun, denke ich.

Danke, dass es dir gefällt.

Lieben Gruß
ELsa

grenzen-los-zeit-los said...

mir gefällt es auch und ich lese aus diesen Zeilen, dein ICH dein DU heraus, leidenschaftlich echt und immer wieder authentisch ... ich mag das sehr ... LG Ursa

Elsa Rieger said...

Liebe Ursa, du hast natürlich recht, die beiden letzten Beiträge handeln sich um meine wirkliche Familie und mich.

Liebe Grüße
ELsa

Anonymous said...

Zum Glück begreifen die Töchter - meistens,
wenn sie dann selber Kinder haben,
die bedingungslose Liebe iher Mütter.

Danke für diesen schönen Eintrag. Er erinnert mich genau an diese Zeit mit meiner Tochter.
Du hast mich (schon wieder) zu einem Gedicht angeregt. :-)
Gruß
Barbara

Elsa Rieger said...

Wenn sie liebe Mamas haben, begreifen die Töchter es dann, sehe ich auch so, Barbara.

Und fein, wenn es dir außerdem eine neue Inspiration ist, freut mich!

LG
ELsa

Helmut Maier said...

Wenn es nur immer so einfach wäre mit den psychischen Spielen des Schicksals ...

Liebe Grüße
Helmut

Caro said...

Oh, manchmal kann das Leben ganz schön tragisch sein... wunderschön beschrieben, wie man sich fühlt, wenn man sich in der Rolle eines Hässlichen Entleins neben einem Schwan sieht. Zum Glück mit Happy End!

Elsa Rieger said...

Lieber Helmut, tja, einfach ist es nie :-)

Liebe Caro, im Lauf der Jahre legt man meist das hässlichen Entlein ab.


Liebe Grüße
ELsa

grenzen-los-zeit-los said...

.... und wird ein Schwan, der Töchter hat, die dann das gleiche Gefühl haben könnten ... so ist aber das Leben.... dir einen lieben Gruß, lieber Schwan :-) (heißt es bei weiblichen dann eigentlich Schwänin? :-) Ursa

Phivos Nicolaides said...

Mir gefiel besonders schönen Text, wie auch wir es geschafft, zu übersetzen. Kuss

Elsa Rieger said...

Liebe Ursa, wie hübsch du das sagst! Ja, vielleicht "Schwänin"
:-). Hauptsache, wir sind es!

Lieber Phivos, das freut mich, danke dir!


Liebe Grüße
ELsa

Dieser Blog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.

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