14. Juni 2010




Im Hochsommer

Als Kind berührte ich einmal den Flügel eines Tagpfauenauges, weil er so samtig schien wie die Nase meiner Katze. Er müsse deswegen sterben, sagte meine Großmutter.

Bis zur Brust reichen mir die Halme vor der ersten Mahd. Ich wate darin. Der Wald steht still wie eh und je, ich übertrete die Schwelle ins Dunkel.
Kühl ist es in meinem Blütenkleid, die Kiefernnadel scheinen bei jedem Schritt zu flüstern: Das hat er dir im letzten Jahr gekauft. Lichtpunkte flackern darauf.

Am Rand des Pfades ein Findling im Blaubeernest, gerundet von einem längst versiegten Fluss. Ich breite meinen Rock darüber und lass den Tränen ihren Lauf.



(c) ELsa Rieger

18 Kommentare:

Dagmar hat gesagt…

Liebe Elsa,

dies ist ein sehr feines Gedicht, wenn auch sehr traurig.

Die Situation ist sensibel beschrieben. Ich kann diesen Weg mit gehen.

Liebe Grüße
Dagmar

Elsa Rieger hat gesagt…

Vielen Dank, liebe Dagmar!

Schön, dass du mitgehen konntest.

Liebe Grüße
ELsa

Rachel hat gesagt…

Liebe Elsa,

Du hast die Schönheiten ringsum so wunderbar wahrgenommen, ja, auch ich möchte mitlaufen, ganz still, um dann auf dem Fels einfach nur deine Hand zu halten...ohne Worte den Erinnerungen Freiraum gewähren, um dann wieder frei durchzuatmen, um dann wieder beschwingter den Weg zurück laufen;-)

...ein ganz inniger Text, trotz Traurigkeit lässt er ein Lächeln zu, eben weil er so wehmütig schön ist...

ich drück dich! Rachel

syntaxia hat gesagt…

Huch, ELsa,
das passt aber haarscharf!

..grüßt dich Monika berührt

Elsa Rieger hat gesagt…

Liebe Rachel, dank für das schöne Mitwandern, der Wald ist eine Waschmaschine gegen Kummer :-)

Liebe Monika, ja? Ich denke dir herzlich.

Liebe Grüße
ELsa

Karl hat gesagt…

könnte im Waldviertel sein, dort wasche ich oft meine Gedanken,
liebe Grüße,
Karl

Elsa Rieger hat gesagt…

Lieber Karl,

es IST im Waldviertel, du Kenner der immer noch ursprünglichen Naturorte!

Liebe Grüße
ELsa

Karl hat gesagt…

nun, ich verbrachte meine Kindheit in Alt-Weitra, meine Mutte stammte von dort :-)
Liebe Grüße,
Karl

Anonym hat gesagt…

Liebe Elsa, diese Geschichte rührt mich.
Tränen erleichtern, waschen alle Sorgen ab. Wer weiß, vielleicht kauft er Dir wieder ein Kleid, ein neues.*mitfühl*

Liebe Grüße
Barbara

Elsa Rieger hat gesagt…

Liebe Barbara, schön, danke, dass du berührt bist.

Ich finde Tränen sehr gesund, sie haben einen reinigenden Effekt, nachher ist einem leichter.

Ich finde auch sehr lieb, dass du mitfühlst, aber es ist ja das Lyrische Ich, dem diese Situation widerfährt.
Ich schöpfe natürlich tw. aus Erinnerungen, wie wohl jeder von uns, doch der Schritt in die Lyrik ist dann die persönliche Distanz der Autorin zum Eigenen.

Sehr lieben Dank dir,
ELsa

ahora hat gesagt…

Liebe Elsa,
dass Du in diesem Sinne geschrieben hast, ist mir natürlich klar.
Ich habe mir die Freiheit genommen, spielerisch so zu antworten.

Ich wünsche Dir eine gute Nacht
Barbara

Elsa Rieger hat gesagt…

Liebe Barbara, das weiß ich natürlich!
Ich habe die Antwort eigentlich mehr für zufällige Leser geschrieben, damit sie die beiden Ichs auch unterschiedlich wahrnehmen können.

Im Übrigen, das Blumenkleid gibt es tatsächlich, aber das bleibt nun wirklich unter uns ;-)

Liebe Grüße in deine Nacht,
Elsa

Elke K.-K. hat gesagt…

Ach, diese Sprache... Wie mag ich deine "Spielerei" mit ihr: Den Rock ÜBER etwas falten... Waten durch Halme....Blaubeeernester. So fühlt sich Poesie an!

E.

Elsa Rieger hat gesagt…

Liebe Elke,

so ein schönes Lob, vielen Dank!

LG
ELsa

Phivos Nicolaides hat gesagt…

Fantastic text and pictures. So beautiful your blog. Hugs.

Elsa Rieger hat gesagt…

Thank you, Phivos!

skryptoria hat gesagt…

Der Text und das Foto sind sehr harmonisch gewählt. Das berührt mich richtig. Und fast wäre ich versucht, meine Handauszustrecken, um sie in das Foto eintauchen zu lassen.

Schön.

Sehr schön!

Liebe Grüße, skriptum
http://skriptum.wordpress.com

Elsa Rieger hat gesagt…

Herzlichen Dank, skriptum!

Wir hatten noch nicht das Vergnügen, umso größer ist es mir nun.

Liebe Grüße
ELsa

Dieser Blog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.

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