Posts mit dem Label Leipziger Buchmesse werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Leipziger Buchmesse werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

9. April 2015

Leseprobe aus Helene sucht eine große Zehe und entdeckt die Wirklichkeit





 Der Messerwerfer

„Du kommst nach London, spazierst über den Circus und triffst einen Artisten.“ Gwen ist wider Erwarten begeistert, als ich ihr von der Begegnung berichte und die Karten zeige.

Das Revuetheater liegt in der Nähe der Westminster Abbey in der Circus Road, rot bespannte Wände, plüschiges Ambiente. Unsere Plätze befinden sich in der Mitte der ersten Reihe.
„Das nenn ich Protektion, meine Süße!“ Gwen freut sich, aber mir ist das peinlich, ich wäre lieber diskret irgendwo hinten im Publikum gesessen.
Ein klassisches Programm läuft ab. Trapezkünstler in Lamé-Overalls aus Südamerika, ein Zauberer im Frack mit Kaninchen im Zylinder und einer Dame, die er zersägt. Eine Nummer, in denen Pudel in Apricot durch flammende Reifen springen, angeführt von einer üppigen Frau, deren Dauerwellenlöckchen wie das Fell der Hunde gefärbt sind. Zwischen den Darbietungen die typischen Spaßnummern von zwei Clowns. Einer von ihnen agiert in Frauenkleidern, und jedes Mal, wenn der andere in seinen übergroßen Schuhen hinfällt, dreht er dem Publikum den Rücken zu, streckt den Hintern vor und rafft den Rock. Auf seiner Unterhose steht: „Total Asshole“. Die Zuschauer pfeifen und grölen.
Meine Spannung steigt, je weiter sich die Show der Halbzeit nähert, denn danach tritt der Messerwerfer auf.
In der Pause muss Gwen eine Zigarette haben. Auf der Straße sagt sie: „Jetzt bin ich aber gespannt auf deinen ...“
„Robert. Nicht mein.“ Doch insgeheim wünsche ich es mir. Mein Robert.
Als wir in den Saal zurückkommen, steht schon ein kleiner Tisch nahe der Rampe. Darauf liegen in zwei akkurat ausgerichteten Reihen Wurfmesser mit roten Griffen. Robert betritt von links die Bühne. Sein Gesicht verborgen hinter einem Blumenmeer roter Gladiolen in den Armen. Lächelnd wirft er eine um die andere ins Publikum. Eine landet vor meinen Füßen. Ich hebe sie auf, und als ich wieder zur Bühne blicke, steht eine Assistentin im hautengen, silbernen Overall neben Robert. Er führt sie zur schwarzen Zielscheibe, die an der hinteren Wand montiert ist, schnallt ihr Lederriemen um Hand- und Fußknöchel, Taille und Stirn. Kurz betrachtet er sein Werk, wendet sich dann dem Tischchen zu.
Mein Herz steht still, als Robert das erste Messer in die Hand nimmt und sich auf die Finger haucht. Es ist ganz ruhig im Saal, vielleicht halten alle den Atem an wie ich.
Roberts Muskeln spannen das Seidenjackett am Rücken, an den Schultern. Plötzlich steckt das Messer mit zitterndem Griff neben dem linken Ohr der Frau. In rascher Folge fliegen die anderen, während die Scheibe zu rotieren beginnt. Schneller und schneller, Robert jagt ein Messer nach dem anderen über die Bühne.
Ich schließe die Augen, in meinem Kopf dreht sich alles, ich sehe, wie der Schenkel der Assistentin durchstochen wird, eine Schneide steckt in ihrem Herzen, eine im Augapfel. Blut spritzt auf die Bühne, da die Scheibe nicht aufhört, zu rotieren.
Dann tost Applaus in meinen Ohren und ich öffne die Augen. Die Scheibe steht ruhig, Robert hat alle Messer geworfen. Er befreit seine Assistentin, geleitet sie zur Rampe. Sie knickst. Ihr Overall ist natürlich unbefleckt; meine absurden Fantasien! Robert breitet die Arme aus und verbeugt sich. Wieder brandet Applaus auf.
„Yes!“, schreit Robert triumphierend, „Yes!“
„Ich muss zu ihm“, sage ich entschlossen, „verstehst du das, Gwen?“
„Natürlich, geh nur, wir sehen uns zuhause. Man lernt ja nicht jeden Tag einen Artisten kennen.“
Vor dem Flur, der zu den Künstlergarderoben führt, verabschiedet sie sich mit einem anzüglichen Grinsen. Ich gehe von Tür zu Tür, schließlich finde ich jene mit Roberts Namen. Sie steht offen, ich hebe die Hand, um zu klopfen, doch im selben Moment spaziert die Assistentin, in Jeans und Rollkragenpulli, an mir vorbei. Sie schaut mich spöttisch an. In einem schwarzen Frotteebademantel lehnt Robert am Schminktisch und cremt sich die Hände ein. Auf dem Stuhl sitzt einer der Clowns, noch in seinem Kostüm.
Robert wirkt überrascht, als er mich in der Tür stehen sieht. Doch dann lächelt er glücklich, „Komm rein!“ Er deutet auf seinen Besuch. „Das ist Jack total asshole.“
Der Clown nickt mir zu, grinst. „In Wahrheit ist Robert das Arschloch, Sie werden schon sehen.“
„Hau schon ab“, sagt Robert und Jack verlässt die Garderobe.
„Schön, dass du hier bist, ich habe mir eben den Angstschweiß abgeduscht“, er zeigt auf seine feuchten Haare. „Was trinken?“ Geschmeidig stößt er sich vom Tisch ab und füllt zwei Gläser mit Grenadine und Sekt, reicht mir eines. Ich nippe daran. Robert trinkt seines in einem Zug leer, drückt mich an sich. Sein Kuss drängend, er saugt an meiner Oberlippe, ganz selbstverständlich.
Was denn sonst?, denke ich und sage auch ganz selbstverständlich: „Ich will dich.“
„Ich weiß.“ Er schlüpft aus dem Bademantel, steht im roten Minislip vor mir und ich senke den Blick. Dann kleidet er sich an. „Komm, wir gehen zu mir.“

Das Hotel ist schäbig.
„Yes“, flüstert Robert.
Als er in mir explodiert, brüllt er es und rollt sich neben mich.
„Es tut mir leid“, sage ich, „ich bin nicht besonders gut in dieser Disziplin.“
Er lacht.
„Ich war zu geil auf dich, zu schnell.“ Er streichelt meine Wangen. Sein Körper ist drahtig und so blass wie die Hände.
Ich berühre seine Finger. „Sie sehen so zerbrechlich aus.“
„Sie sind kräftig.“ Robert stützt sich auf den Ellenbogen, mustert mich. Ich schaue zur hochglanzlackierten Holzschatulle, in der er seine Messer aufbewahrt. Er folgt meinem Blick. „Ich lasse sie niemals in einem der Theater, lieber schleppe ich mich damit ab.“
Ich stehe auf und stelle mich an den windschiefen Schrank.
„Wirf! Beweise es.“
„Was?“ Erstaunt.
„Dass ich mich sicher bei dir fühlen kann, dass du mich liebst.“
„Nein!“ Er kommt zu mir, presst seinen Körper an mich.
„Willst du morgen mein Model auf der Bühne sein? Wagst du es?“
„Yes“, sage ich.
Wir lieben uns die ganze Nacht, bei jedem Mal öffnen wir einander mehr. Robert führt mich geduldig in die Kunst der Liebe ein, und ich strecke meinen nackten Körper wohlig unter seinen Zärtlichkeiten. Ich denke an Django, seine grobe Umgangsweise, kein Wunder, dass ich bisher kein großes Interesse an Sex entwickelt habe.
„Ich glaube, du bist meine Liebe.“ Ich werfe mich auf ihn und überschütte ihn mit Küssen.
„Liebe. Was für ein großes Wort“, lacht er.

Zwei Wochen sind es nun, die ich mit Robert in seiner Absteige verbringe. Gwen treffe ich nur ab und zu. Es entgeht mir nicht, dass sie deswegen schmollt.
„Schau“, sage ich und bestelle für sie eine zweite Portion Schokoladeneis in der besten Eisdiele Londons nach unserem Spaziergang durch Covent Garden, „ich lerne endlich wirklich die Liebe kennen, sei mir doch nicht böse.“ Um sie zu beruhigen, habe ich ihr in der Mall ein schönes XXL-Kleidchen gekauft, das sie gleich anbehalten hat. Immerhin hat sie danach aufgehört, mit mir zu schimpfen.
Liebevoll und gar nicht laut sagt sie: „Ich mach mir einfach Sorgen, du bist so naiv, weißt du? Jetzt gehst du sogar auf die Bühne mit dem Typen, wo soll das hinführen?“
„Hab dich nicht so, komm mit, sieh es dir an“, lache ich. „Ich werde doch nicht zum Schafott geführt. Robert ist ein Profi. Und nun ist er mein.“
Entsetzt schüttelt Gwen den Kopf, sie plustert sich in ihrer Üppigkeit auf, indem sie die Rüschen des neuen violetten Samtkleides um sich drapiert. Theatralisch hebt sie den Arm und legt ihn über die Stirn.

Nachher in Roberts Garderobe – Gwen ist tatsächlich nicht mitgekommen – kippe ich zwei Gläser Kir Royal.
„Der Köper muss absolut ruhig bleiben.“ Seine Finger spielen Klavier in der Luft.
Ich trinke ein weiteres Glas. „Jetzt bin ich ganz ruhig. Vielleicht sterbe ich heute. Ich will in einem Zustand der Erleuchtung ins Blau übergehen.“
„Du bist verrückt.“ Er steckt mir die Zunge zwischen die Lippen.
Es wird Zeit, ich schminke meine Augen, male den Mund dunkelrot an. Das Kostüm der Assistentin ist mir zwei Nummern zu groß. Robert verzieht das Gesicht.
„Ich weiß was“, sage ich, „hast du vielleicht ein Messer hier?“ Darüber muss ich augenblicklich lachen. Er auch. Ich schneide die Beine der schwarzen Seidenhosen in Fransen, meinen roten Pulli in Streifen.
„Heute nagelst du zur Abwechslung einen Punk an die Scheibe!“
Sein Lächeln wirkt abwesend, wir laufen den Flur entlang zur linken Seite der Bühne, warten auf das Zeichen für den Auftritt. In einem Aufwallen von Angst greife ich nach Roberts Hand.
„Jetzt nicht“, flüstert er heiser, schüttelt mich ab und umarmt den dicken Blumenstrauß. In seinen dunklen Augen flackert die Anspannung. Er hat auch Angst, das beruhigt mich.
„Du musst Arbeit und Liebe auseinanderhalten.“ Bei seinen Worten öffnet sich der Vorhang.
Schon hat er sein umwerfendes Lachen aufgesetzt und wirft die Gladiolen ins Publikum. Dann winkt er mich zu sich. Stolz stöckle ich in meinen Stiefeletten auf die Bühne. Robert nimmt meine Hand und verbeugt sich tief mit mir zusammen.
Kerzengerade gehe ich neben meinem Messerwerfer zur Drehscheibe. Während er mir die Gurte umlegt, zischt er zwischen den Zähnen: „Das ist Arbeit – ernst wie der Tod.“
Ich suche vergebens seinen Blick. Nun bin ich eine Schießbudenfigur. Er läuft zur Rampe, zu den Messern.
Meine Schenkel fangen zu zittern an, der Tremor ergreift den gesamten Körper bis hinauf zu den Haarwurzeln. Robert tariert das erste Messer aus, wirft. Ich kneife die Augen zusammen. Ein Luftzug, ein Aufschlag neben dem linken Ohrläppchen. Die Schneide singt eine Zehntelsekunde. Ein Einschlag nach dem anderen. Schweiß sammelt sich zwischen meinen Brüsten, sickert zum Bauchnabel abwärts. Dann eine kühle Hand an meinem Hals, erschrocken reiße ich die Augen auf.
„Ist gut. Alles gut“, sagt Robert und drückt den Hebel, der die Scheibe in Drehung versetzt.

Die Welt zerfällt in bunte Wirbel, Strudel, Schlieren.
Durch die Lichtkreisel kriechen Amphibien aus dem brodelnden Meer ans Land. Vulkane spucken Feuerfontänen, die Erde bebt unter den Schritten der Saurier. Ein Tyrannosaurus Rex beißt den Kopf vom langen Hals eines Dinosauriers, als handle es sich um einen kandierten Apfel am Stiel. Mammuts wiegen sich vorbei, und dahinter brüllen die ersten Menschen, bewaffnet mit Stangen.
Die Drehgeschwindigkeit verlangsamt sich. Applaus rauscht in meinen Ohren. Ich wage einen Blick. Vor mir steht Robert.
„Yes! Und wieder die Liebe“, sagt er und hebt mich herunter.



18. März 2015

Helene auf der Leipziger Buchmesse 2015 und das Gewinnspiel

Liebe Freunde, 

die Buchmesse war für mich ein großes Ereignis, immerhin durfte ich meinen neuen Roman mit einer Lesung vorstellen. 60 Zuhörer waren beachtlich angesichts der Unmengen an Veranstaltungen. Dazu kam, dass ich am letzten Messetag um 16h gelesen habe, mit so einer Zuhörerschaft war da wirklich nicht zu rechnen. Ich freu mich! 





Es war durchaus aufregend, sich gegen die Lärmkulisse rundum zu behaupten, Dank der Tontechnikerin hat es gut geklappt. Auf dem Film, den ich demnächst zeigen werde, sind die Nebengeräusche leider mit drauf, da die Kamera den Raumton eingefangen hat. Aber vielleicht macht es trotzdem Spaß, mich zu sehen und zu hören, um einen Eindruck zu bekommen.
Hier noch ein paar Impressionen von dort.










 

Und nun findet endlich auch das versprochene Gewinnspiel statt!

Die Frage lautet: Wie viele Bücher habe ich vor dem neuen Roman




veröffentlicht? Die Antwort findet sich in diesem Blog.

Die ersten 5 Leser, die die Frage beantworten können, gewinnen ein Buch ihrer Wahl (Helene ausgenommen).

Antworten bitte hier als Kommentar.

Viel Spaß,
Eure Elsa




2. März 2015

Leseprobe aus Helene sucht eine grosse Zehe und entdeckt die Wirklichkeit

Leseprobe:

Helene ist fünfundzwanzig, sie kommt gerade von ihrem Vater, der sie zum Geburtstag damit überrascht, dass er sie zur Teilhaberin der Dessousfabrik macht.

Als ich zwanzig war, konnte er nicht stolz auf mich sein, ich war ihm peinlich. Heute verstehe ich das. Ich sehe mich, wie ich vor ein paar Jahren barfuß durch die Stadt zu Django lief, nach einem Streit mit Papa wegen der beschissenen Unterhosen, die ich in der Phase meiner Lehrzeit nähen sollte. Ich denke, Django war damals der einzige Jamaikaner in ganz Österreich, klar, dass ich ihn haben wollte.
Bei ihm kauerte ich auf dem Linoleumboden, und er saß auf seinem abgewetzten Sofa über mir. Meine Fingernägel waren so schwarz wie die Fußsohlen, ich pulte den Schmutz zwischen den Zehen heraus. „Drecksfabrik! Am besten, ich werde schwanger, dann wird er Ruhe geben.“
Vergebens versuchte ich, den Blick meines Liebsten unter den dichten, langen Wimpern einzufangen.
„Bitte!“
Er heizte das Dope an. „Magst du auch?“
„Mach mir ein Kind. Bitte!“ Lauter.
„Ekelhaft.“
„Du vögelst doch gern. Was ist schon dabei?“ Schreiend.
Django hustete nach dem Lungenzug. Er schob das Kinn vor in Richtung Flur. „Geh duschen!“
Vielleicht war er besserer Laune, wenn ich seinem Wunsch nachkam.
Ich war erst ein paar Mal bei ihm gewesen. Er kam lieber in meinem Elternhaus vorbei. Es sei edler, sagte er. Außerdem gab es bei ihm nie etwas zu essen. Kennengelernt hatte ich ihn im Voom-Voom, der schrägsten Disco Wiens. Zuhause gab ich vor, an diesen Tanzabenden eine Freundin zu besuchen. Papa hätte niemals zugestimmt, dass seine Tochter in ein derartiges Lokal ginge. Django arbeitete dort hinter der Theke und schenkte Bier aus. Eines Abends war ich sturzbetrunken, weil ich nur mit ihm ins Gespräch kam, wenn ich etwas bestellte. Mutig fiel ich ihm um den Hals, das kam ihm entgegen, er legte mich in der Personalgarderobe aufs Kreuz. Seitdem waren wir ein Paar.
Mit seiner Nagelbürste schrubbte ich die schmutzigen Fußsohlen, das heiße Wasser färbte sich langsam von Dunkelgrau zu Hellgrau. Endlich war es durchsichtig, ich stieg aus der Dusche und trocknete mich ab. Als ich ins Zimmer zurückkam, war Django zugedröhnt. Ich umschlang seinen Nacken, setzte mich auf seinen Schoß und küsste ihn.
„Ein Kind“, flüsterte ich ihm ins Ohr.
Anfallartig begann er zu lachen, seine Dreads wippten im Takt der Stöße. Plötzlich schubste er mich von seinen Schenkeln.
„Du spinnst doch!“
Ich landete mit dem Hintern auf dem Linoleumboden. Nachdem ich mich angezogen hatte, schlug ich Django ins Gesicht.
„Dann scheiß ich auf dein Einverständnis, Idiot! Ich krieg schon, was ich will!“
Er hielt sich die Wange, trat nach mir. Doch er erwischte mich nicht mehr. Ich war bereits aus der Tür, spuckte sie an und lief davon. So ein Arsch!
Zuhause setzte ich mich auf die Schaukel meiner Kindheit im alten Nussbaum und beobachtete meine Mutter Margarethe. Die sprach im Singsang, wenn sie sich über die Beete beugte oder die verblühten Rosenköpfe aus den Ranken zupfte. Die Blumen nannte sie: „Meine Schönen.“ Mit mir schimpfte sie oft, beklagte sich über mein Benehmen. Nacktschnecken schnitt sie entzwei und Wühlmäuse verfolgte sie mit dem Spaten. Über die regte sie sich am meisten auf. Wenn sie selten genug eine stellte, erschlug sie die mit Genuss.
„Verdammtes Rattenpack!“, schrie sie auch an diesem Tag, als sie eine erwischt hatte.
„Lass sie leben“, bat ich. Mutter hörte nicht, sie fuhr damit fort, Schnecken aus dem Gras zu rupfen, zu halbieren und in einem roten Kübel zu sammeln. Der Ast, an dem die Seile hingen, knarrte, als ich von der Schaukel sprang. Ich war immer noch stinkwütend auf Django, Zorn über Mutter kam dazu, ich entriss ihr den Henkel des Eimers. Entführte die armen Mollusken und schüttete sie über den Palisadenzaun auf die saure Wiese, neben den schmalen Bach, der dort floss.
„Stell dir vor, ich schneide durch deinen Bauch“, antwortete ich Margarethes hasserfülltem Blick.
„Ich bin längst entzwei“, entnahm ich ihrem Murmeln.
Diesen Satz hatte ich schon einmal gehört … ich muss sehr klein gewesen sein. Als ich eines Abends aufwachte, hörte ich Papa und Margarethe nebenan im Schlafzimmer streiten. Wortfetzen nur, aber mein Vater schrie. Er, der mich sonst nur liebevoll streichelte und mir schöne Dinge sagte, schrie. Mein weißes Nachthemd schleifte auf dem Boden, als ich mit meinem Krokodil ins Vorzimmer schlich, zu ihnen wollte. Sie sollten wieder lieb sein. Ich mochte die lauten Stimmen nicht hören und hielt mir die Ohren zu.
Auf einmal war es ruhig. Diese plötzliche Stille machte mir Angst. Zitternd hob ich mein Plüschtier wieder auf, drückte es an die Brust, um mich zu beruhigen. Leises Gemurmel. Dann hörte ich Margarethe weinen. „Ich bin schon entzwei“, schluchzte sie.
Worte und Bilder verschwammen. Mutter warf die Schnecken auf die Wiese, Mengen. Unverhohlen starrte ich sie an, sah, wie sie oberhalb ihres Nabels auseinanderbrach. Das Blut spritzte nicht, sondern landete in fetten Tropfen im Gras. Im Schneckentempo krochen die davon.
Bizarr.
Margarethes Herz flutschte aus der Wunde, kullerte ins Saatbeet für die Kapuzinerkresse. Mit Wasser aus der Gießkanne säuberte ich das pulsierende Ding von der Erde und steckte es wieder unter Mutters Brust. Dann lief ich zum Geräteschuppen, nahm die Rolle mit Sisalseil an mich; es diente zum Festbinden der Ranken am Geländer. Damit flickte ich die Schnittstelle über den Rippen zusammen.
„Du bist meine Blume, Helene“, sagte Margarethe zu mir und sank auf die Wiese. „Dein Selbstmordversuch hat mir das Herz gebrochen.“
Das kam unerwartet, katapultierte mich in die reale Welt zurück. Es schockierte mich. Hatte ich ihr hartes Herz durch die Operation aufgeweicht? Ich legte den Kopf in Mutters Schoß. „Die Sache vor zwei Jahren mit den Tollkirschen tut mir leid, auch wenn es eher ein Unfall war“, wiegelte ich ab, und es stimmte, denn umbringen wollte ich mich nicht wirklich.
Papas Stimme schreckt mich aus meinen Gedanken.
„Wieso starrst du denn Löcher in die Luft?“ Keinesfalls will ich ihm jetzt erzählen, dass ich an eine Phase meines Lebens gedacht habe, die er nicht besonders gut fand. „Das Schild, Papa, ich freu mich so! Ausgesprochen modern!“, lenke ich ab.
Er schmunzelt. „Man muss ja mit der Zeit gehen.“ (...)


eBook und Taschenbuch bei Amazon


Eure Elsa

1. März 2015

Woher kommt Helene


Heute möchte ich ein wenig über die Entstehung meines Romans Helene sucht eine große Zehe und entdeckt die Wirklichkeit erzählen. 

Es ist mein zwanzigstes Buch und für mich zugleich mein wichtigstes Buch. Die Anfänge von Helene habe ich vor mehr als drei Jahren zu Papier gebracht. Wie fast alle meine Geschichten fiel mir die Idee wörtlich vor die Füße.

Ich lebe in Wien, mitten in der Altstadt, 1. Bezirk, keine fünf Minuten vom Stephansdom entfernt. Meistens mache ich um diesen einen großen Bogen, da er ständig mit Touristen gefüllt ist. Eines Tages, ich weiß bis heute nicht, warum, hatte ich nach einem Spaziergang Lust, die Kirche aufzusuchen. Obwohl es ein herrlicher Sonnentag war, waren nur wenige Touristen unterwegs. Wer Wien besucht hat, kann sich eine Vorstellung von "wenig" machen. Nach einiger Zeit hatte ich sogar ein Plätzchen ergaunert. Irgendwann bemerkte ich, dass die Besucher nicht mehr das Innenleben des Doms betrachteten sondern eine junge Frau, die im Hauptschiff unterhalb der Orgel tanzte. Ein faszinierender Anblick. Ich kannte das Mädchen, sie wohnte nicht weit von mir. Sie war zu diesem Zeitpunkt achtzehn, vielleicht auch schon neunzehn Jahre alt. Wie viele Jugendliche in ihrem Alter hatte sie ihre ersten Drogenerfahrungen gemacht und war an Schizophrenie erkrankt. Je nach Phase, in der man sie antraf, grüßte sie lustig wie ein Mädchen ihres Alters oder ging mit gesenktem Kopf an mir vorbei, ganz vertieft in Gespräche mit Personen, die ich nicht sehen konnte. Just an jenem Tag tanzte sie im Sephansdom, völlig ausgelassen. Ab und zu hielt sie inne, führte ein kurzes Gespräch, kicherte und tanzte weiter.
Ich weiß nicht, was mich in diesem Moment mehr beeindruckte: das Mädchen, ich nenne sie jetzt Helene, oder die ganzen Touristen, die ihr Tun aufmerksam verfolgten. Die Blicke der Menschen waren offen, kein "Fremdschämen" war zu bemerken. Es freute sie offensichtlich, berührte sie.
Irgendwann hatte Helene mich entdeckt und kam, immer noch tänzelnd, fast schwebend, auf mich zu. Mir wurde ein wenig unbehaglich, weil ich befürchtete, damit auch zum Mittelpunkt zu werden. Flucht war allerdings zwecklos, dazu standen die Menschen ringsherum viel zu gedrängt. Also blieb ich sitzen und schickte, der Örtlichkeit angemessen, ein Stoßgebet in Richtung Himmel, besser gesagt, Kuppel. Die Leitung nach oben war offensichtlich gestört, den Helene kam immer näher, blieb dann kurz vor mir stehen und stürzte sich ohne Vorwarnung auf meine Füße. Dabei murmelte sie immer wieder monoton: "Gib ihr die Zehe wieder, Krokodil. Ich weiß, dass du sie hast!"
Meine Gefühle in diesem Moment, als meine Schuhe durch die Luft flogen, muss ich nicht weiter schildern. Dies könnt ihr euch sicher vorstellen. Helenes Gesichtsausdruck hingegen zeigte Enttäuschung, als sie meine Zehen vollzählig sah. Lange störte es sie nicht, denn sie richtete sich wieder auf, lachte mich freundlich an und verschwand wieder. Ich auch, so schnell ich konnte.

Und genau aus diesen Momenten heraus entstand mein Roman, in dem es auch um Fantasie und Wirklichkeit geht. Und auch um eine Zehe. Und nicht zuletzt um die Frage, unabhängig von dem Krankheitsbild des Mädchens, wie viel Fantasie (-welt) unser Leben braucht, damit wir zufrieden existieren können. Denn ohne Fantasie ist die Welt manchmal zu schwer zu ertragen.

Mein Roman selbst geht über das Erlebnis hinaus, birgt ein wahres Familiengeheimnis, dem "meine Helene" auf die Spur kommt. Und dennoch hatte ich immer dieses beeindruckende Erlebnis im Hinterkopf.

Eure Elsa

18. Februar 2015

Leserstimmen zu Helene sucht eine große Zehe und entdeckt die Wirklichkeit

Liebe Freunde der Helene, 
wie Ihr wisst, gab es eine Leserunde, damit ich im Vorfeld Kritikpunkte beachten kann. Hier nun Zitate einiger Leserstimmen, für die ich mich herzlich bedanke!

Vanessa S. Zeplichal
Mir ist gerade beim Lesen die Luft weggeblieben, so spannend, so abwechslungsreich, so phantasievoll und genial erdacht und geschrieben, und dass sie in "meinem" Konzerthaus arbeitet, das ich so gut kenne, das macht die Geschichte noch Mal besser!

Dagmar Baude
DenTitel finde ich gut. Er macht neugierig und ist ungewöhnlich."Heleneland" hat mich gefesselt. An schlafen war nicht mehr zu denken. Ein tolles Buch. Ich freue mich darauf, es in den Händen halten zu können!

Edith Hornauer
Ein fantastisches Kapitel!!!! Ich will noch nichts verraten, aber mir gefallen ihre Fantasien, die wieder da sind und, und, und, ein herausragender Roman!

Rita Hajak

http://buchideen.blogspot.co.at/…/elsa-rieger-helene-sucht-…

Ein Drama jagt das andere und ich konnte die letzen Seiten nur mit tränenverschleiertem Blick lesen. Die Geschichte hat mich gefangen genommen. Sie ist so lebensnah, gefühlvoll erzählt, dass ich es oft körperlich gefühlt habe.

Regina Weber
Der absolute Höhepunkt des Buches: die eigene Schuldzuweisung, das Erlöschen jeglichen Lebenswillens, die Selbstaufgabe und schließlich, ergreifend beschrieben, ihr komplettes Abtauchen ins Heleneland mit einer wirren Vermischung all ihrer realen Weggefährten mit den Figuren, ihrer Fantasie entsprungen. Grandios!

Victoria Suffrage
Je weiter die Geschichte voranschreitet, umso weiter entferne ich mich davon, dass dies nur ein Roman ist, tauche ein in Helenes Leben, will sie kennenlernen. Will sie verstehen können. Das, was ich zunächst als spröde empfunden habe, wird liebenswert. Fast.

Enya Kummer
„Atemlos durch die Nacht“ oder „schlaflos im Heleneland“ – so kam ich mir beim Lesen vor. Konnte ich nach dem ersten Teil noch eine Pause einlegen, war mir das später nicht mehr möglich.

Christine Erdiç
Interessant, wie sich Realität und Fantasie überschneiden, Figuren aus dem Heleneland sich mit Personen, denen sie begegnet, vermischen ,so dass sie manchmal selber überlegen muss, ist das jetzt Wirklichkeit oder nicht ( ich denke dabei an die Ratte zum Beispiel).

Susanne H. Ollmert
Ich habe lange nicht mehr so ein schönes, trauriges, anrührendes und gleichzeitig komisches Buch gelesen.

Ursula Kötz Tintelnot
Pekingenten springen vom Haken und hacken der Freundin ein Beil in den Kopf. Helene ist so vollkommen durchgeknallt, so liebenswert ver-rückt im Wortsinn, schläft mit einem Messerwerfer und fährt, nachdem sie sich von ihm getrennt hat, nach Rom ihren Nowhere Man, eine Fadenpuppe im Gepäck. Ihre Suche nach der Liebe ist rührend und irgendwie hoffnungslos, so scheint es. ... Wunderbar zu lesen. Für mich gab’s kein Entkommen.

---
 
Eure Elsa

Link zum Buch:
Helene sucht eine große Zehe und entdeckt die Wirklichkeit


17. Februar 2015

Neuerscheinung - Helene sucht eine große Zehe und entdeckt die Wirklichkeit


Ihr Lieben, 

es ist vollbracht. 
Mein zwanzigster Roman "Helene sucht eine große Zehe und entdeckt die Wirklichkeit" ist veröffentlicht und ab sofort als Ebook erhältlich.


 Zum Buch:



Das Print wird Ende des Monats erhältlich sein.

Ich freue mich, ich freue mich so sehr. 
Zum Einen bin ich sehr stolz auf die Zahl "20", noch größer ist aber mein Stolz auf dieses Buch. 
Für mich, nur für mich allein, ist dieser Roman die Krönung meiner schriftstellerischen Karriere.

Besonders bedanken möchte ich mich bei meiner Lesegruppe, die die letzten Wochen meine Nervosität ertragen und mich unheimlich bestärkt hat.

Ich hoffe, Ihr habt viel Spaß mit meinem neuen Roman, fühlt Euch gut unterhalten.

Eure Elsa

16. Februar 2015

Zwanzig Bücher - Meine kleine Buchreise 4

Nun habe ich Eure Geduld lange genug strapaziert, liebe Freunde der Helene. 

Hier nun der letzte Teil der Reise durch meine Bücher. In Kürze wird das Gewinnspiel erklärt.
Die hier gezeigten Bücher sind in den Jahren 2012 bis 2014 erschienen.

Eure Elsa   

Nur ein kleiner Bär



Eine vergnügliche Familiengeschichte. Wie reagiert die Familie, wenn der Vater, ein Professor der Astronomie plötzlich von einem Lottogewinn spricht? Lassen Sie sich überraschen.Auskoppelung aus dem Buch: Alle Jahre wieder. eBook und Taschenbuch.


LiebesWellen: Verstrickt im dunklen Familiengeheimnis



Triest im Mai. Der Amerikaner Dennis trifft die Italienerin Undine und gerät in den Sog ihres dunklen Familiengeheimnisses. Zunächst fasziniert von ihrer unwirklichen Schönheit, dann berührt von dem Schmerz, den er ahnt, entwickelt sich Liebe. Sie ist eine Nixe, sagt sie. Sie zerschneidet sich die Brüste, singt in einer fremdartigen Sprache, leidet unter ‚Halluzinationen’, unverständlich für sie selbst, für ihn.
Dennis, bisher ohne Lebenssinn, ist besessen von der Aufgabe, ihr beizustehen und wühlt in ihrer Vergangenheit. Undine beginnt ihm zuliebe in Hypnosesitzungen nach und nach die fehlenden Puzzleteile hervorzuholen. Alles fügt sich zusammen. Sie spaltete ihre Persönlichkeit als Überlebensstrategie auf. Nun ist sie erwacht. Stellt sich dem Leben. Kann die traumatische Erfahrung geheilt werden? Ist die Liebe stärker als der Schmerz? Lesen Sie selbst.


Dann reden wir von Liebe



Liebe, nein danke, schwört Gesa nach einer bitteren Enttäuschung, aber dann ... Ist Botox tatsächlich die Lösung, wenn frau sich nicht mehr ausstehen kann? Und wie lassen sich langjährige Beziehung doch immer wieder pimpen? Lesen Sie selbst. 19 Kurzgeschichten über das Verlieben und Entlieben von jung und alt, gut durchgeschüttelt und mit Gedichten gewürzt. 


Die Frau, die sich nicht umdrehte



Ich spaziere durch Städte, bevorzugt durch meine Geburtsstadt Wien, und sehe zwischen den flanierenden Menschen eine Gestalt, die sonst keiner erblickt.
Ich entdecke in diesem rothaarigen Mädchen eine Geschichte. Ihre Geschichte von Liebe und Qual, in der sie sich einem Mann ausliefert, sich seiner Obsession hingibt, die letzten Endes ihr Tod sein wird. Nein, ich denke, sie wird es überleben und fortan als wahre Königin durch das Leben wandeln. Warum? Weil sie zu reizend ist, um sie sterben zu lassen.
Oder ich sitze im Kaffeehaus nahe der Hofburg, und sehe nicht, dass der alte, magere Mann seine Adlernase in einen Cognacschwenker senkt, um den Duft des Weinbrands aufzusaugen, der ihm Sekunden von Erinnerungen an eine bessere Zeit schenkt, lange, ehe er von den Nazis nach Auschwitz verschleppt wurde, lange, bevor er halbnackt und abgemagert in eine Stadt heimkehrte, in der die Einwohner nur ein paar Schritte vom Kaffeehaus entfernt auf dem Heldenplatz „Heil!“ gebrüllt haben.

Ich schreibe über das, was ich nicht sehe, aber dennoch über alles, was es geben könnte. Vielleicht.


Chicago, I'm coming! (Illustriert): Tagebuch einer Stadtbesichtigung



An was denken wir, wenn wir den Namen Chicago hören? An eine US-amerikanische Jazzrock-Band, die 1967 dort gegründet wurde, an Größen wie Louis Armstrong, Earl Hines oder Jelly Roll Morton, die die „schwarzen Clubs“ belebten und den Chicago Jazz prägten. Während der Roaring Twenties erprobte aber auch ein neuer Typ Glücksjäger die große Freiheit Chicagos bis an die Grenzen des Erträglichen. Kriminelle Syndikate unter skrupellosen Gangsterbossen wie Bugs Moran, Johnny Torrio und Al Capone machten sich die Prohibition zunutze und verkauften illegal hergestellten Alkohol. Feuergefechte zwischen Polizei und Gangstern waren zwar nicht so sehr an der Tagesordnung, wie viele Filme glauben machen möchten, aber das mafiöse System funktionierte. Dass 1942 dem Physiker Enrico Fermi an der University of Chicago die erste kontrollierte nukleare Kettenreaktion als Teil des Manhattan-Projekts gelang, dessen Ziel der Bau von Kernwaffen war, wissen die wenigsten. Und das Chicago die drittgrößte Stadt der USA ist, dürfte auch nicht so bekannt sein. Dabei ist die Stadt seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Handelsplatz. Chicago ist Sitz der Chicago Mercantile Exchange, der größten Warenterminbörse der Vereinigten Staaten, und der Chicago Board of Trade, der größten Rohstoff-, Futures- und Optionsbörse der USA.
Seit Anfang des 21. Jahrhunderts ist der Status der Stadt als kulturelles und wirtschaftliches Zentrum der Region unumstritten.
Elsa Rieger berichtet hier sehr privat und entspannt über ihren ersten Aufenthalt in den U.S.A., ohne jeglichen Reiseführer-Anspruch. Es handelt sich lediglich um Aufzeichnungen einer zweiwöchigen Reise, die sie antrat, um ihre Verwandtschaft wiederzusehen. Die Autorin berichtet eindrucksvoll von der Stadt am Südwestufer des Michigansees im Bundesstaat Illinois in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Was sich hinter den Kulissen der beeindruckenden Stadt verbirgt und was man nicht in der Zeitung lesen kann, dass schildert uns lustig, spannend und mit vielen Bildern untersetzt, Elsa Rieger. Ein Buch, das seine Freunde finden wird.









Dieser Blog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.

Lesbares - Sichtbares

Follower

Über mich

Blog-Archiv