21. Februar 2012



Novemberregen


Welcher Teufel hat mich geritten? Bin ich verrückt? Ich könnte den Abend gemütlich vor dem Fernseher verbringen und eine Tasse dampfenden Zimttee schlürfen. Stattdessen laufe ich durch den kalten Nieselregen, springe zur Seite, wenn die Autos nahe dem Randstein durch Pfützen fahren und das schmutzige Wasser mir in Fontänen entgegenspritzt. Ich tripple weiter, High Heels erlauben keine großen Schritte, außerdem bin ich sie nicht mehr gewöhnt. Ich betrachte mich in den angelaufenen Schaufensterscheiben. Dämlich sieht das aus, wie ich mit nach vorn geneigtem Oberkörper, herausgestrecktem Hintern und nickendem Kopf vorwärts eile. Als wäre ich ein Huhn! Ich halte inne. Gehe gemächlicher weiter. Komme ich eben zu spät, na und? Seit Tagen hat er das Date vorbereitet, seine Mails und Telefonate wurden von Mal zu Mal erotischer, manche trieben mir die Schamesröte in die Wangen. Dann kam das Flugticket per Post.
Nie findet man ein Taxi, wenn es regnet. Als ob man sie nur bei strahlendem Sonnenschein benötigen würde! Ich stelze über die Place Vendome, der Wind zerrt an mir, Tropfen unterwandern den Regenschirm, benetzen mein Gesicht. Ein paar Meter noch und die Lobby des Hotels nimmt mich auf.
Seit ich denken kann, wollte ich das Ritz Paris von innen sehen. Die Pracht verschlägt mir den Atem. Ich durchquere auf dem Weg zum Lift Üppigkeit in Gold, Weiß, Orange. Mir zittern die Knie, mein Herz flattert. Der dem Ticket beigelegte Brief sagte in anzüglichen Worten, ich möge in das Zimmer 519 gehen und mich nach der detaillierten Beschreibung vorbereiten. Warten. Auf ihn warten.
Der Liftboy im Livree tritt zur Seite, ich steige ein und krächze: „Fünfte Etage.“
Der orangefarbene Teppich schluckt das Geräusch meiner Schritte. Ich gehe vorbei an goldenen Nummern auf mattweißen Türen; 519 ist einen Spalt offen. Ich betrete das Zimmer. Zimmer? Eine Suite! Das Glanzstück des Wohnraums ist ein offener Kamin aus weißem Marmor. Davor steht ein cremefarbener Ohrensessel, auf ihm das Kostüm drapiert.
Ich befühle den duftigen, weißen Musselin, das hellblaue Samtband unterhalb des gerafften Bustiers. Vor dem Sessel stehen Pantöffelchen aus lichtblauem Brokat. Napoleon wird bald erscheinen und so lasse ich meine Kleider zu Boden fallen, suche das Bad auf, quietsche vor Entzücken über den Anblick der schwarzen und rosafarbenen Fliesen und dusche den Reisetag ab. Danach hülle ich mich in den Empiretraum, der wie angegossen sitzt. Das bodenlange Kleid umschmeichelt jeden meiner Schritte, streichelt mich federleicht. Ich schwebe in den angrenzenden Raum. Verspiegelte Wände, in denen sich das ausladende Himmelbett hundertfach wiederholt. Wohlige Schauer auf meiner Haut, als ich mich selbst in endloser Vervielfältigung erblicke. Ich lasse mich auf der seidigen, rubinroten Decke nieder, lege mir das vorbereitete Satinband in derselben Farbe über die Augenlider und binde es im Nacken zusammen. Die Hände in den Schoß gelegt, erlausche ich den Raum.
Mein Atem übertönt die Stille, es ist, als gäbe es nichts außer ihm. Endlich spüre ich einen kühlen Lufthauch, nehme mit allen Fasern geräuschlose Körperlichkeit wahr, die immer näher kommt und verharrt. Ich fühle den Busen unter dem zarten Musselin beben. Finger ziehen die Konturen meines Mundes nach, ich öffne die Lippen, erwartungsvoll. Meine Schenkel vibrieren, Hitze durchflutet mich. Das Schweigen wird unerträglich, ich flüstere (...)

Leseprobe aus meinem eBook: Liebe? Nein, danke!
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(c) ELsa Rieger
Bildausschnitt: Hans Makart

6 Kommentare:

allesgold hat gesagt…

Hm, von Erotik verstehst du was ...

Elsa Rieger hat gesagt…

Das weiß ich nicht, BL, ich schreibe ja nur drüber ;-)

Vielen Dank für deinen Kommentar,

Liebe Grüße
ELsa

schlüsselworte hat gesagt…

das ist meine absolute lieblingsgeschichte von dir, weißt eh, liebe elsa.
und du weißt auch, warum.

liebgruß,
mo

Elsa Rieger hat gesagt…

Liebe Mo, ja ich weiß! Danke dir!

LiebGruß
ELsa

grenzen-los-zeit-los hat gesagt…

spannend und motivierend, das Buch nun auch zu lesen ... überzeugt, liebe Elsa, wie immer .. lieben Gruß Dir von Ursa .., die wieder daheim ist

Elsa Rieger hat gesagt…

Liebe Ursa, willkommen daheim! Und danke dir :-)

Guten Morgen Grüße
ELsa

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