4. März 2012


1950 geboren, hab ich mit 6 Jahren erstmals einen Fernseher gesehen, es gab eine Kindersendung 1x pro Woche am Mittwoch 17h. Dann in der Schule waren LehrerInnen noch Respektspersonen, ebenso wie die Eltern. Stecken die heutigen mindestens ein "Halts Maul, du Opfer" von ihren Kids ein, war damals selbstverständlich, sich den Wünschen der Großen unterzuordnen. Bei mir war es ein bisschen anders, stamme ich doch aus einer liberalen Künstlerfamilie. Später gings dann so weiter
(Leseprobe aus Ein Mann wie Papa, Aavaa Verlag und beam:

Vor Jimi ging ich zum Eislaufen, kicherte mit meinen Freundinnen und genoss die Schulferien. Die Wände in meinem Zimmer waren mit Postern von Rex Gildo, Charlton Heston und Pierre Brice zugehängt.
Nach Jimi war ich nicht mehr dieselbe. Ich ging auf die Straße, dem Protest galt ab sofort mein ganzes Interesse. Bis auf die Zeit, die ich in der Schule absitzen musste, beteiligte ich mich an jeder Demonstration. Ich unterschrieb auf allen Listen, die mir unterkamen: Greenpeace, Amnesty International und alles gegen jeden Krieg. Meine Zensuren wurden noch schlechter – Ausdruck der Verachtung für das Establishment. Wir hockten im Volksgarten vor dem Palmenhaus, rauchten und verfluchten die Bourgeoisie, unsere Eltern, das Geld. Kamen Bürger an uns vorbei, schnorrten wir. Gaben sie nichts, verdammten wir sie, gaben sie ein paar Groschen, verdammten wir sie auch.
Die Jungen ließen das Haar wachsen, wir Mädchen schnitten es zentimeterkurz ab. Wir forderten Freiheit für alle. Ich umrandete meine Augen mit Kajal, schminkte die Lippen leichenblass, klaute Papas schwarzen Rollkragenpullover und Mamas Spitzenhöschen.
„Sex, Drugs and Rock’n’Roll“, brüllend schien ich der freien Liebe zu frönen. In Wahrheit traute ich mich nicht. Meine Eltern waren überzeugt, ich würde es tun. Darauf war ich sehr stolz. Papa tobte. Meine Mutter weinte und besorgte mir schleunigst die Antibabypille.

(c) Elsa Rieger

Auszug aus meinem Roman: Ein Mann wie Papa

Das Buch gibt es hier:

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4 Kommentare:

Traumkirschen hat gesagt…

ein schöner post.. viele liebe grüße, joy

Unknown hat gesagt…

Ein guter Rückblick ddr mich an meine eigne Jugend erinnert. Mit bunten Haaren und Spitzen Nieten nannten wir uns Punker und hatten Null bock riefen No Future. doch du hast recht auch wir hatten Respeckt vor den Eltern.

Es ist schön das du dir diese Erinnerungen bewahrt hast, denn dieses Verständnis haben einige Jugndliche nötig um zu erkennen das es doch eine Zukunft gibt.
Lg. Raziael

herbst.zeitlosen hat gesagt…

wenn ich das lese, da erinnere ich mich ganz deutlich daran, wie unfrei doch die "freie liebe" war. schade!

die einst langhaarige grüßt die einst kurzhaarige

monika

Elsa Rieger hat gesagt…

Vielen Dank, Joy, Monika, Raziael, freut mich, dass ihr da so gut mitgehene könnt.

Liebe Sonntagsgrüße
ELsa

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