Ein
Mann wie Papa
Die Geschichte
trägt vielfach autobiografische Züge, ist aber dennoch ein Roman. Mein Romandebüt. Nachdem der Vertrag mit dem Verlag, bei dem das Buch
fünf Jahre lang gebunden war, nun ausgelaufen ist, habe ich mich entschlossen, »Ein
Mann wie Papa« ein wenig zu überarbeiten und selbst neu aufzulegen, weil dies
für mich eine Herzenssache ist.
Elsa Rieger
Klappentext
Marie ist jedes Mittel recht,
um ein Treffen mit Paul zu arrangieren. Der Trick, sie würde ein Buch über ihn
schreiben, funktioniert. Prompt willigt er ein, doch nach einem ersten Date
macht er sich rar und taucht nicht einmal mehr in der Stammkneipe auf.
Kurz vor Weihnachten, als Marie die Hoffnung schon aufgegeben hat, gibt Paul endlich bekannt, dass er nun soweit ist, sich auf eine Beziehung einzulassen. Maries Glück scheint so nah, würde Paul nicht zum Prüfstein ihres ganzen bisherigen Lebens.
Kurz vor Weihnachten, als Marie die Hoffnung schon aufgegeben hat, gibt Paul endlich bekannt, dass er nun soweit ist, sich auf eine Beziehung einzulassen. Maries Glück scheint so nah, würde Paul nicht zum Prüfstein ihres ganzen bisherigen Lebens.
Maries Impulsivität und ihr
allzu großes Herz lassen sie von einem Konflikt in den nächsten stürzen. Da ist
noch ihre drogenabhängige Schwester Julia, für die sie sich verantwortlich
fühlt und ihr fast schon erwachsener Sohn Max, den sie wie eine Löwin liebt.
Nebenbei versucht sie Pauls Vorstellungen von einer ausgeglichenen, reifen
Beziehung zu erfüllen, für die sie sich ganz schön verbiegen muss.
Leseprobe
Lady in red
Neujahrsabend.
»Ich verreise für ein paar Tage«, sagt Paul.
»Ach so? Geschäftlich?«
Er lacht. »Was dachtest du?«
Und, weiter, denke ich. Dann sage ich es doch. »Wovon lebst du
eigentlich?«
Jetzt wo es raus ist, verstehe ich gar nicht, warum ich ihn nicht schon
längst danach gefragt habe.
»Weinhandel.«
»Dann bist du Alkoholiker?«, kichere ich über den Joke.
Kaum gesagt, steht Paul auf. »Ich finde das nicht komisch. Ich muss los.«
»Du wolltest doch mit uns essen.« Ich richte mich vorsichtig auf.
Paul drückt mich in den Sitz zurück, gibt mir einen Kuss auf die Wangen
und weg ist er. Es war doch bloß ein blöder Witz. Will er mich etwa erziehen?
Mist!
Eine Woche schon. Die Tage kleben grau und ausgekaut aneinander. Paul
ruft nicht an. Wenn es läutet, ist Julia dran.
»Es ist so super, Schwesterlein, seit Chris fort ist.«
Mir hüpft jedes Mal das Herz vor Glück, was schert mich der Rest der
Welt, wenn es ihr gut geht. »Ist er wirklich nach Jamaika geflogen?« Ich kann
es kaum glauben.
Sie lacht wie ein Glöckchen. »Du musst großen Eindruck auf ihn gemacht
haben.«
Wir schicken uns ein paar Küsse durchs Telefon, dann bin ich wieder allein
in meinem Kaugummitag.
Oder Max’ Neue ruft an, und sie blockieren stundenlang die Leitung. Mit
mir redet er kaum ein Wort. Wahrscheinlich hat er mir immer noch nicht
verziehen. Da kann ich noch so sehr betonen, dass mir seine Frisur gefällt.
Mona fragt ständig nach Paul, ich könnte ihr ein Buch nach dem anderen
an den Kopf werfen, warum lässt sie mich nicht in Ruhe. Es scheint ihr Spaß zu
machen, mich zu quälen. Den ganzen Tag hoffe ich für einen einzigen Augenblick,
wenn ich die knarrenden Stufen zu meiner Wohnung hochsteige und die Tür
aufschließe. Dann pocht mein Herz wie wild. Wenn wieder keine Nachricht auf dem
Anrufbeantworter ist, setzt es aus.
Heute erinnert sich Max daran, dass er eine Mutter hat.
»Oma lässt dich grüßen«, richtet er mir aus und balanciert ein Stück
Pizza in sein Zimmer.
»Hat noch jemand angerufen«, frage ich.
»Paul hat nicht angerufen«, antwortet er und ich muss über seine
Unverschämtheit lachen. Kluges Kind!
Langsam werde ich wütend, was fällt Paul eigentlich ein? Wie kann er
nach diesen wundervollen Tagen überhaupt ohne mich leben? Ich schenke mir einen
Cognac ein.
»Trink nicht so viel, Mama.«
»Lass mich«, schnauze ich und kippe das Glas hinunter. Vom Zensor
befreit, wähle ich Pauls Nummer.
»Haiiii«, meldet sich eine Frauenstimme.
Mir verschlägt’s die Sprache.
»Hallo, ist da ein Stummer dran?«
Das blöde Kichern halte ich nicht aus. Ich lege auf.
Rache!, zuckt es durch mein Hirn. Rache! Rache! Rache!
»Ich gehe aus«, sage ich zu Max, der mich besorgt ansieht. »Und ob ich
ausgehe!«
Das Etuikleid aus Shantungseide modelliert meine Rundungen. Dass ich
kaum atmen kann, tut nichts zur Sache. Im gleichen Rot bemale ich die Lippen,
die Augen schminke ich à la Japonaise. Ich ziehe eine unsichtbare Boa aus Straußenfedern
hinter mir her und übe vor dem Spiegel Hüftschwünge. Max bekommt einen Kuss.
»Na«, frage ich ihn.
»Toll, Mama.« Popcorn kauend starrt er auf die Mattscheibe.
Kaum stehe ich im Treppenhaus, klingelt das Telefon.
»Sie ist gerade weg«, sagt Max.
Das war bestimmt Paul.
Ich bin wie erstarrt. Sobald ich mich wieder bewegen kann, werde ich
zurückgehen. Ich könnte doch so tun, als hätte ich was vergessen und nebenbei
fragen, ob ich mich verhört hätte. Dann zuckt der Racheblitz wieder auf, die
selten dämliche Stimme hallt piepsend durch meinen Kopf, sofort spüre ich die
Schmach, ich mache auf dem Absatz kehrt, steige die Stufen hinunter und stöckle
in die Nacht hinaus. Lady in red, eine Frau sieht rot. Ich werde mich bei Carlo
sinnlos betrinken, mir macht das nämlich Spaß. Weinhändler! Spießer!
Nach Karl, dem autoritären Bäcker, hatte ich Spießern endgültig den
Rücken gekehrt. War alles bisherige bloß ein Spiel gewesen, gab ich jetzt
richtig Gas. Mein Papa war sowieso unterwegs. Er nannte es beruflich, doch
inzwischen wusste ich, dass er log, und fühlte mich verraten und verlassen.
Aber wenn Papa daheim war, hatten wir unglaublichen Spaß zusammen. Er spielte
uns Balladen vor. Wir bevorzugten den Erlkönig: Als der Vater das Ziel
erreicht, hat das Kind in die Windel gemacht und er hat seinen Teil davon
abbekommen. Papa galoppierte auf einem unsichtbaren Schimmel durch die Wohnung,
mimte einmal den Erlkönig, dann wieder seine Töchter mit schauerlich schlechten
Ballettschritten. Wir lagen auf dem Boden vor Lachen. Plötzlich stolperte er und
blieb wie tot liegen, bis wir vor Schreck zu schreien anfingen. Als
Gutenachtgeschichte musste allabendlich Goethes Türmer herhalten. Sobald das
Skelett beim Glockenschlag zerschellte, schliefen wir ein.
Papa gab immer seltener Gastspiele, je älter wir wurden.
Ich trat aufs Gas, unbeachtet, denn meine jüngeren Geschwister
beanspruchten die ganze Aufmerksamkeit und Zuwendung Mamas.
Die Schule bedeutete mir gar nichts mehr, die Clique alles. Meine
Freunde kamen aus verschiedenen Schichten. Tramper und Straßenmaler, Studenten,
Beatniks, Schulverweigerer aus gutem Hause. Damals war mir nicht bewusst, dass
ich versessen auf Liebe war. Liebe und Anerkennung machten mich trunken, sie
waren meine Drogen. Und ich verschaffte sie mir.
Ich hoffe, bei Carlo Paul zu treffen. Ich habe meinen Auftritt
inszeniert, lasse ein helles Lachen erklingen.
»Champagner, Carlo!« Die Bestellung unterstreiche ich mit einem
Hüftschlenker. Eduard, ein alter Bekannter, steht vom Tisch auf und kommt zu
mir.
»Warum bist denn so aufgemotzt, Marie?«
»So bin ich in Wahrheit!« Ich stecke eine Zigarette zwischen meine
glutroten Lippen und bitte um Feuer.
»Nö. Bin doch Nichtraucher«, sagt er und winkt jemand anderem zu.
»Banause!« Ich lächle Carlo an.
So breit wie hoch er ist, zwinkert er mir zu. Ich weiß, dass er mich
liebt. Er stellt sein Glas ab.
»Was planst du?«
»Männermord, warum?«
Carlo kratzt sich die Glatze. »An wen dachtest du?«
Ich beuge mich über die Theke, spüre wie sich die Seide um meinen
Hintern spannt. Langsam richte ich mich wieder auf. »An Paul.«
Carlo zeigt mir einen Vogel. »Du spinnst, Marie, so einen netten Kerl
findet man nicht oft.«
»Frau schon«, sage ich und gleite vom Hocker. Ich bin fest entschlossen,
mir einen wundervollen Abend zu verschaffen. Ich flirte, was das Zeug hält.
Sogar Carlo mache ich schöne Augen, aber er zeigt mir immer wieder einen Vogel.
Tief in mir weint die kleine Marie, ich ertränke sie mit noch mehr Sekt.
Später sitze ich auf dem Schoß eines fremden Mannes, der meinen
Oberschenkel betatscht. Scheißsekt. Mein Magen rebelliert. Ich weiß, wie mein
Lächeln wirkt. Sanft aber bestimmt schiebe ich seine Hand weg, da packt er zu,
und ich versuche mich aus dem Griff zu winden. (...)
Ich freu mich sehr, dass das Buch wieder lieferbar ist:
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