19. August 2011

Eine liebe Blogfreundin hat mich heute auf die Idee gebracht, meinen LeserInnen hier die Weiterentwicklung Helenes vorzustellen, nachdem sie endlich ihre leibliche Mutter in Andalusien kennenlernte und sich mit ihr versöhnte. Nach und nach ...


Rückkehr nach Wien

Helene schließt auf.
„Papa! Bin wieder da!“ Verwundert, dass sie keine Antwort bekommt, geht sie durchs Haus in den Garten. Da sitzt er auf der Terrasse und schaut Margarethe zu, wie sie den Garten bestellt. So etwas hat Helene in den ganzen Jahren noch nie gesehen.
„Papa?“
Er wendet sich um, erstrahlt bei ihrem Anblick. Noch grauer ist sein Haar geworden.
„Mein Prinzesschen“, sagt er und umarmt sie. Margarethe kommt hinzu, wischt die erdigen Hände an der Schürze ab, „Ich fürchtete, du kämst niemals wieder, Helene!“
„Ich hab unten deinen Wagen vor der Tür gesehen. Dass du an einem Wochentag daheim bist? Was ist los, Papa?“
„Die Produktion, der Handel mit Unterhosen waren ja nie deins, Helene, jetzt bist frei, eine Arbeit nach deinen Wünschen zu finden.“ Er lacht dabei, also muss es ihm gut gehen, „ich bin in den Ruhestand gegangen, fertig.“
„Damit er mir auf die Nerven gehen kann“, meint Margarethe in ihrer trockenen Art, aber sie sieht fröhlich aus. Das ändert sich in dem Moment, als Konrad fragt, „Wie war es mit Mercedes? Komm, du musst mir alles ganz genau erzählen.“ Er packt Helene an der Hand und zieht sie ungeduldig mit sich in sein Arbeitszimmer, drückt sie in den Lehnsessel.
„Los! Rede schon!“ Seine Augen leuchten in der Vorfreude. Er liebt meine Mama immer noch, denkt Helene.

Sie und ihr Vater sprechen in den folgenden Tagen häufig von Mercedes, immer wieder will er von ihr hören. Jedes Detail erfahren über ihr Aussehen, was sie anzieht, wie sie redet, über das Flamencotanzen, ob sie von ihm, Konrad, gesprochen habe. Es ist ihm egal geworden, ob Margarethe anwesend ist.
Eines Tages sagt Helene, als sie allein am Tisch sitzen, dass diese Gespräche schmerzhaft für ihre Stiefmutter seien. Konrad winkt ab.
„Sie ist doch schuld, dass Mercedes mich verlassen hat!“
„Ach?“ Helene ist sauer. „Zum Vögeln gehören immer zwei, oder, Papa?“
Er senkt den Blick und schweigt.
Im Garten bearbeitet Margarethe mit heftigen Schnitten die Hecke. Ratsch, ratsch macht die große, scharfe Schere, bis die Buchsbäumchen gerade wie eine Wand stehen. Margarethes Rücken ist gekrümmt, Helene sieht ihre Verzweiflung, die sie nur mit noch mehr Arbeit überleben kann.
Das muss aufhören!
„Papa, du musst lieb zu deiner Frau sein. Ich werde mit dir nicht mehr über meine Mama sprechen, wenn du das nicht tust.“

Innerhalb zwei Wochen findet Helene Arbeit im Wiener Konzerthaus. Froh darüber, den Fragen von Konrad so rasch entkommen zu sein, kniet sie sich voller Elan in den Job. So beflügelt war sie noch nie, eine Last, von der sie bisher beschwert war, obwohl sie nicht einmal wusste davon, ist abgefallen. Dafür ist Margarethe verantwortlich, weil sie sich im Zorn auf Helene verplappert hatte. Das wird Helene ihr niemals vergessen. Sie bringt ihr abends oft Blumen mit. Natürlich in Töpfen, denn alle abgeschnittenen Pflanzen schmerzen Margarethe. Kürzlich hat Helene ihr eine große Palette Stiefmütterchen geschenkt.
„Ah“, sagte Margarethe, „das passt ja ausgezeichnet zu mir“, und sie zwinkerte ihr zu.

Auf die Stiefmutter ist Helene nicht bös, sie konnte wohl damals nicht anders, als Konrad ihr schöne Augen machte. Ihn, der um einiges älter als Mercedes ist, hatte vermutlich die Midlife-Crisis in die Arme der Geliebten getrieben, weil die werdende Mutter Papa aus dem Bett verbannt hatte. Helene war ein widerspenstiger Fötus, Mercedes erbrach sich bis zum siebten Monat. Und da suchte Konrad sich einen Ausgleich: Margarethe. Das alles erzählte ihr die Stiefmutter. Sie sprach auch von den tiefen Schuldgefühlen, die sie seither in sich trägt.
„Du warst so klein, Helene, als deine Mama weggegangen ist ...“
Es ist schwer, Papa zu verurteilen, dazu liebt Helene ihn zu heftig. Sie nimmt es hin, wie es ist und vertieft sich in die Arbeit. Es dauert nicht lange, und Helene wird Managerin der PR-Abteilung. Die Mitarbeiter gönnen es ihr, denn bis auf eine, Ruth, die in der Hierarchie übersprungen wurde, mögen Helene alle.



(c) ELsa Rieger
Foto: Wiener Symphoniker im Wiener Konzerthaus

4 Kommentare:

Edith hat gesagt…

Liebe Elsa,

ohja, gern lese ich die Fortsetzung...ist es doch ein ganz besonderes Schicksal...

ganz lieb, Rachel

Elsa Rieger hat gesagt…

Hui, liebe Rachel, du kannst ja wieder kommentieren? Das freut mich!

Liebe Grüße
ELsa

Anonym hat gesagt…

Ich folge dem Werdegang der Helene und bin gespannt, was Dir noch so einfällt.

Liebe Grüße
Barbara

Elsa Rieger hat gesagt…

wie schön, liebe barbara!

herzlich dir,
elsa

Dieser Blog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.

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