Seinerzeit
Seinerzeit
wartete die Flügeltür mit offenen Armen, Messing beschlagen, auf das Eintreffen der Familie zu dieser und jener feierlichen Zusammenkunft. Jedes Mal zog der Duft von Schweinsbraten und Sauerkraut durchs Stiegenhaus; das einzige Gericht, das Tante Ada noch in ihren hohen Jahren zubereitete.
Seinerzeit
hing an der Wand des Salons eine Kopie von Makarts Bacchus und Ariadne; Nackte und Bocksbeinige wälzten sich mit elfenbeinhäutigen Mädchen im Rausch oder Liebestaumel darauf. Darunter flackerte passend ein offener Kamin, ziegelrot, dort, wo nun ein Zentralheizkörper schwächliche Wärme verteilt, ganz ohne Knistern, bar des Geruchs von Harz und Holz.
Seinerzeit
hielt der Schweinsbraten nicht, was sein Aroma versprochen hatte, wir kauten höflich, wenn auch enttäuscht, auf den fasrigen, trockenen Fleischstücken herum, froh, als die Tafel aufgehoben wurde. Der Onkel steckte sein Gebiss, das während des Essens auf der rosaroten Damastserviette ruhte, wieder an den vorgesehen Platz im Mund. Das ergab zum Glück nicht das mindeste Odeur, aber stets Grund zur allgemeinen Heiterkeit, die ich nie vergessen werde.
(c) ELsa Rieger
Bild: Hans Makart - Bacchus und Ariadne
12. Dezember 2011
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13 Kommentare:
ach, das hat geschmeckt, auch wenn der Schweinsbraten - so wie bei mir - mal wieder trocken war.
Ich grüße in die mit Bratenduft durchsetzte Erinnerung
Seinerzeit - Elsa, welch Wort zu solch herrlichen Gedanken im Rückblick. Das hat was!
Gigantisch sehr gut!!!
herzlichst,
deine Rachel
Liebe Monika, liebe Rachel,
Vielen lieben Dank für euer liebes Response, freut mich wirklich sehr!
Herzlich,
ELsa
Ja, dieses "Seinerzeit" übt eine magische Kraft aus und doch wüsste ich zu gerne, was da heute anstelle des Gemäldes über der Zentralheizung hängt. Und was isst man heute dort?
Was wird der Enkel einst schreiben, wenn er mit "Seinerzeit" beginnt???
Anregend, sehr anregend zum eigenen Rückblick!
Liebe Elke, danke für deinen netten Komm.
Nun, was dort jetzt hängt, weiß ich nicht, denn diese Whg. ist mit dem Tod des letzten Onkels aufgegeben worden. Vielleicht ist man dort heute Hot Dogs, wer weiß ...
Mein Enkel wird sein eigenes "Seinerzeit" haben, da wird es sich wohl eher um Schwierigkeiten bzgl der Umwelt, des Klimas und des Überlebens handeln (wenn ich mir die heutige Situation vor Augen führe).
Herzliche Grüße
ELsa
Wie wunderbar geschrieben, liebe Elsa.
"Seinerzeit", ein schönes Wort und unser innerer Reichtum zugleich.
Danke auch für den netten Kommentar. Hat mich sehr gefreut.
Heute feiern wir Lucia. Tut man wohl nicht in Deutschland, oder?
Alles liebe Dir
Malou
Danke, liebe Malou, schön, wenn dir Seinerzeit gefällt.
Also ich bin in Wien zuhause, da feiert man das nicht.
Herzliche Grüße dir
ELsa
seinerzeit
als ich zu meinem großvater "küss die hand, opa" sagen musste ...
die erinnerung an diese sinnlich verhaltene zeit stieg sofort in mir hoch bei diesem so sinnlichen text!
ganz viel liebes für dich!
deine lintschi
Liebe Lintschi,
ja, das waren Zeiten!
Vielen Dank für deinen mitgehenden Komm.!
Herzlich Liebes für dich
ELsie
Liebe Elsie,
das ist einfach wunderbar. Seinerzei, Erinnerungen, ganz persönlich.Für mich hat das einen ganz zärtlichen Klang. Eben Familie.
Hab nachgedacht, was wäre bei mir ...
Du weißt es.
Liebe Grüße
Dagmar
Liebe Dagmar,
ich danke dir herzlich für deinen schönen Komm.
Ich weiß, wie es bei dir war und empfinde große Dankbarkeit für meine Kindheit.
Sei lieb gegrüßt,
Elsie
Hm, seinerzeit war manches ritualisiert - aber der Schweinebreaten und das Sauerkraut haben sich in unsere Zeit hinüber gerettet.
Ganz liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
bei uns daheim sind diese Feste immer noch von Ritualen durchzogen :-)
Dafür fällt der Schweinsbraten flach.
Liebe Grüße
ELsa
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