28. Januar 2012

Gar Schreckliches trägt sich zu in diesem Kriminalroman:


Klappentext:
Polizisten, Privatdetektive und Geheimdienstleute gibt es in der Literatur wie Sand am Meer. Unbezwingbare Helden oder saufende Versager mit Glück.
Hier ist alles anders. Menschen finden sich zusammen, um gemeinsam Verbrecher zu jagen. Sie sind alles andere als typisch. Ihr Beruf mag sie formal begrenzen, aber immer finden sie einen Weg neben dem Dienstweg. So international wie das Verbrechen sind auch die Ermittler.

In einer losen Reihe von Büchern und wechselnden Besetzungen lösen sie ihre Fälle und müssen doch immer wieder einiges am Wege liegen lassen. Oft genug ein Anstoß für spätere Ermittlungen.

Der hier vorliegende Band beschäftigt sich mit dem internationalen Auftragsdiebstahl von Kunst. Ähnlichkeiten mit realen Fällen und Personen sind reiner Zufall und natürlich vollständig unbeabsichtigt.

Weitere Bände sind in Arbeit.


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Leseprobe:

1. Die Wasserleiche

Gewalt ist die letzte Zuflucht des Unfähigen
Isaac Asimov



Wien, 3. Februar 2006 - 10 Uhr 15

„Schickt’s den Leichenwagen, da ist a Wasserleich’.“
„Wo sind Sie denn?“
„Na, auf der Donauinsel, gleich bei der Mexikokirchen herüben.“
„Wir kommen, gehen Sie bitte nicht weg, Herr ...?“
„Ist wurscht, i hab’s ja nur g’funden.“
Franz Huber legte auf. Es war ein saukalter Freitag. Eigentlich hätte er heute Frühschluss. „Hoffen wir, es ist ein hundsordinärer Selbstmord. Komm, gemma.“
„Herr Hauptkommissar, wenn’s Suizid ist, warum muss dann die Mord ausrücken?“ Der junge Kollege rieb sich die Hände, anscheinend fror er bei dem Gedanken an den eisigen Wind, dem sie gleich ausgesetzt sein würden.
„Tschikowski, mach keinen Aufstand. Das ist eben so. Die Mord ist bei jedem Toten dabei. Anziehen, los!“
Huber zog die Russenkappe aus Seehundfell über die Ohren; seit er Glatze trug, war er ständig erkältet im Winter. Er riss das Tor des Gebäudes in der Leopoldgasse auf, in dem das Morddezernat untergebracht war, und schon pfiff der Nord unter seinen hellbraunen Dufflecoat.
Obwohl er gern kochte und Freunde zum Essen einlud, war Franz Huber klapperdürr. Er kam schon so auf die Welt und seit 55 Jahren hatte sich nichts daran geändert. „Scheiße“, zischte er.
Tschikowski fuhr den Wagen vor.
Der Anrufer war nicht zu entdecken. Das erste, was Huber an der nackten Toten auffiel, die halb im Wasser, halb auf der Böschung lag: dass sie trotz des verquollenen Fleisches, das blassgrün schimmerte, eine Schönheit war.
„Einen Ausweis wird’s wohl nicht dabei haben!“ Tschikowski zuckte verärgert mit den Achseln, blinzelte gegen den Nordwind der Spurensicherung und dem Pathologen entgegen.
„Die Leich' ist tot“, ertönte windzerfetzt der übliche Kampfruf von Professor Dr. Hugo Rokitansky, der trotz Namensgleichheit nicht mit dem Begründer der 2. Wiener medizinischen Schule verwandt war, diesen aber ohne Probleme an Ausdruckskraft übertraf. Nachdem der schwere Mann sich das Ufer hinabgewälzt hatte, tänzelte er merkwürdig leicht um die Leiche herum und erzählte seinem Diktiergerät, was er sah:
„Weibliche Leiche, zwischen dreißig und vierzig, Würgemale am Hals, Abwehrverletzungen an den Armen und Beinen, Wassertemperatur 9 Grad, Leiche auf Wassertemperatur, vermutliche Todeszeit nach Anschauung vor zirka vierzehn Stunden. Keinesfalls wurde sie im Wasser oder am Ufer getötet. Sie hat Druckstellen, wie sie von gefalteter Plastikfolie entstehen, ist demnach als Leiche transportiert worden. Verdacht auf Sexualdelikt.“
Kaum hatte er das Gerät ausgeschaltet, krähte Tschikowski missvergnügt los: „Was heißt Verdacht auf Sexualdelikt! Ist es eins oder nicht?“
Rokitansky musterte ihn, wie ein interessierter Forscher ein besonders hässliches Insekt betrachtet. „Tschik, du schaust fürchterlich aus. Jedesmal, wenn ich di seh, muss ich an einen nassen Hund denken, der bellt. – Hände und Füße eintüten. Wir machen die Fingerabdrücke.“ Mit einem vernichtenden letzten Blick auf den jungen Mann, der stumm mit den Kiefer mahlte, stapfte er wieder davon.
„War das nötig“, fragte Huber seinen Assistenten, „Rokitansky hasst blöde Meldungen mehr als den Tod.“ Er wandte sich den Männern zu, die der Professor zurückgelassen hatte, „Passt’s ein bisserl auf, auch ein toter Mensch ist ein Mensch.“
Der Zinksargdeckel wurde geschlossen, nächste Station war die Pathologie.
„Also fahren wir“, sagte Huber, kletterte die Böschung hinauf, im Schlepptau Tschikowski, und stieg fröstelnd in den Funkwagen.
„Mir ist schlecht“, knirschte der junge Kommissar zwischen den Zähnen hervor und drehte den Zündschlüssel.
„Dann steig aus und speib draußen“, war Hubers lakonischer Kommentar.
Tschikowski schluckte und schüttelte den Kopf.


2. Helga Brenner weiß was


Man rettet zukünftige Opfer auch dadurch,
dass man Leute davon abbringt,
zukünftige Täter zu sein.
Martin Walser



Wien, 6. Februar 2006 - 11 Uhr 00


Helga Brenner lag in der Badewanne. Im schaumknisternden, nach Rosengeranie duftenden Wasser kamen ihr immer die besten Ideen, wenn ein Fall unlösbar schien.
Am schnellsten fiel ihr etwas Kluges ein, wenn Drago, ihr serbischer Geliebter und Geiger von Beruf, am Wannenrand saß und geigte. Seine dunklen Augen ruhten wohlgefällig auf ihrer Nacktheit.
Manchmal sagte sie: „Schau nur. Ich bin laut Vogue mit 32 im schönsten Alter. Ab 35 geht es bergab.“
Drago unterbrach dann regelmäßig für einen Moment das Spiel. „Bei mir bist du scheen, come let it explain“, sang er.
Helga kicherte.
Ihre Privatdetektei hatte keine neuen Fälle, daher lag sie mit der Wiener Kronenzeitung im Schaum. Drago war gerade unterwegs; er unterrichtete tageweise am Konservatorium in der Johannesgasse unbegabte Kinder, deren Eltern sich einbildeten, sie hätten einen neuen Yehudi Menuhin gezeugt.
Helga stutzte, als sie die Chronikseite studierte.
Wasserleiche an der Donauinsel angeschwemmt.
Die Leser der Kronenzeitung waren es gewohnt, Fotos von lebenden Politikern zu sehen, die wie Leichen aussahen. Hier hatte sich der Fotograf jedoch selbst übertroffen. Das kam eindeutig direkt vom Seziertisch. Natürlich mit nackten Brüsten und Bauchnabel. Da würde heute wohl ein Physikant der Pathologie ein Viertel Wein mehr trinken können.
Helga stutzte. Sie kannte die Frau. Zwar nicht in diesem Zustand, sondern sprühend vor Leben in atemberaubender Garderobe. Sie hatte für sie schon mehrfach mögliche Kunden auf deren Solvenz geprüft, ohne allerdings genau zu wissen, um welche Geschäfte es ging.
Helga hinterließ eine nasse Spur vom Bad durch die Diele bis ins Wohnzimmer, um ihre Zehen bildete sich eine kleine Pfütze, als sie wartete, dass das eintönige Freizeichen endlich aufhöre.
„Morddezernat 2. Bezirk, Huber, guten Tag.“
„Hallo Hubsi. Wie geht es dir?“
„Servus. Was willst?“
„Äh ...“
„Na komm schon, nie im Leben rufst du mich auf der Mord an, wenn es ein Freundschaftsgespräch wär, kenn dich doch.“
Helga hörte, wie er feixte. Sie hatte eine Gänsehaut; die Wohnung war gut geheizt, aber vom Wohnzimmerfenster zog es kalt herein. „Ich muss etwas überziehen, warte einen Moment, Hubsi.“
„Bist nackt? Wie nett!“
„Ach du!“ Helga legte den Hörer ab und lief um ihren Bademantel. Dann kuschelte sie sich auf das ziegelrote Ikeasofa. „So. Ich habe die Zeitung gelesen. Die Wasserleich' kenn ich.“
„Da schau her! Und wie heißt die Schöne?“ Huber hielt den Stift griffbereit.
Elisabeth von Marai.“
„Ja, und? Weiter, Helga“, knurrte der Kommissar.
Helga zündete eine Zigarette an. „Hetz mich nicht, Hubsi. Sie hatte mich vor zwei Monaten angeheuert, um einige ihrer Kunden auf Solvenz zu überprüfen ...“
„Welche Branche?“
„Das war ja das Merkwürdige dran, sie hielt sich völlig bedeckt. Als ich nachbohrte, meinte die Marai, sie würde sich eben jemanden anderen suchen. Konnt' ich mir nicht leisten, Hubsi, deswegen hab ich die Kröte gefressen.“ Helga formte mit spitzen Lippen und gerollter Zunge einen perfekten Rauchring.
„Mach es nicht so spannend, ich habe keine Zeit.“
„Pass auf, ich bekam drei Namen. Zwei waren seriöse Männer, einer von ihnen ein Arzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, der andere Buchhalter im Konkurs, also nicht flüssig. Der dritte aber ...“
Huber trommelte auf die Schreibtischplatte, Helga grinste. „Du kriegst noch einen Herzinfarkt, beruhige dich! Ich fand heraus, der Typ verschiebt rumänische und moldawische Mädchen. Menschenhandel. Als ich der Marai das mitteilte, flippte sie aus in meinem Büro. Knallte meinen Bleikristallascher zu Boden – zum Glück hielt er das aus, du weißt, es ist das einzige Erinnerungsstück, das ich von meinem Papa habe.“
„Ja, ich weiß. Weiter!“
„Weiß wie Kopierpapier ist sie geworden und geschimpft hat die – ich glaube, es war russisch. Dann warf sie das Honorar in Scheinen auf den Tisch, sagte, sie wolle mich nur an meine Schweigepflicht erinnern und rannte schimpfend hinaus. Finito.“
„Hm ... vielleicht ist das der Mörder. Wie heißt er?“
„Es ist bestimmt ein falscher Name.“ Helga kicherte.
„Na?“ Der Bleistift zerbrach in Franz Hubers Fingern.
„Enrico Corleone.“
„Mist! Trotzdem danke, jetzt werden wir die Tote lebenstechnisch auseinandernehmen.“

2 Kommentare:

syntaxia hat gesagt…

Hui, meine liebe ELsa,
das ist so gar nichts für mein zartes Gemüt.
Aber ich wünsche dir natürlich ganz viel Erfolg!!

Die Kombination mit den Zitaten finde ich toll!

..grüßt dich Monika herzlich

Elsa Rieger hat gesagt…

Nein, nein, liebe Monika, das ist nix für dich :-)

Freut mich, dass dir das mit den Zitaten gefällt, das zieht sich durchs ganze Buch.

Liebe Grüße und herzlichen Dank für die guten Wünsche,
Elsa

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