Sie
sind wie Sonne und Mond, Feuer und Wasser. Gemeinsam träumen sie davon, als
Designerin und Model die Metropolen der Welt zu erobern. Stattdessen wird Nina
mit siebzehn schwanger, ausgerechnet von dem Mann, den Jenny wollte. Die
Freundschaft der Frauen kriselt, zerbricht aber nicht.
Bis
Tommy, Ninas Sonnenschein, tödlich verunglückt und beide Frauen verantwortlich
scheinen. Nina, weil sie nicht aufgepasst hat und Jenny, weil sie das Gartentor
offenließ.
Getrieben
von Schuld, ohne eine Aussprache, zerbricht ihr großer Traum.
Um
ihn zu retten, brechen die Frauen ihre Zelte in Wien ab und wollen ihr Glück in
Südfrankreich suchen. Doch die Vergangenheit reist mit.
Leseprobe
Blutsschwestern
Heute nimmt Nina mich zu dem großen Abenteuer mit. Mir ist bang, obwohl mich meine Freundin immer wieder ermuntert.
»Also, Jenny, ist doch so, wir sind jetzt schon acht, große Mädchen, wie Papa immer sagt, ich mein, den Schulweg dürfen wir auch allein …« Nina zwinkert mir so lustig zu, ich kann unmöglich Nein sagen zur Mutprobe.
»Okay, stimmt, aber zum Wasserfall, das ist ziemlich gefährlich, und meine Mama hat das verboten, kennst sie ja, die ist urstreng.«
Nina schüttelt ihre Haare, die nenne ich immer Mohnblumenhaare, weil irgendwie leuchten sie so dunkel und wehen auch so zart im Sommerwind wie gerade jetzt. Meine sind total langweilig blond und zu kurz, um zu wehen. Manchmal reiße ich an ihnen, aber sie wollen nicht wachsen, die blöden.
»Na, und?« Übermütig macht Nina einen Hüpfer. »Wir basteln dann aus dem Zeitungspapier Schiffchen und lassen sie runtersausen, das wird ein Spaß!« Wir sind am Bach, ich sehe den Wasserfall bereits, da müssen wir noch raufklettern über die Steine. Hab keine Lust dazu, ehrlich. Nina ist viel schneller als ich, logisch, ist ja auch dünner, die sieht eh immer aus, als könnte sie gleich davonfliegen. Schmetterling und Grashüpfer eben. Ich schau zur Sonne rauf, da fliegen sie, ihre Mohnblumenhaare ausgebreitet wie ein Fächer.
»Jenny, komm jetzt, los geht’s!«
Ups, sie hat schon den ersten Stein bestiegen, okay, ich mach halt mit und balanciere, damit ich nicht rutsche, ganz nass ist alles vom sprudelnden Wasser. So aus der Nähe sieht das echt wild aus, gruselig. Ui, jetzt ist sie mit den Sandalen ja doch ausgerutscht, klammert sich fest, geht weiter. Nun habe ich richtig Angst gekriegt und bin noch vorsichtiger. Ich mein, drei Meter sind eben drei Meter und Mama hat gesagt, das ist gefährlich, wenn die wüsste … dann darf ich nie mehr aus meinem Kinderzimmer raus.
Nina steht oben. »Huhu, Schlafmütze, komm endlich! Ist so toll hier.« Sie winkt begeistert.
»Dein Knie ist blutig.« Hab’s geschafft, bin bei ihr, wir hocken ganz am Rand vom Wasserfall, nass sind wir auch. Nina zuckt nur mit den Schultern, ja, eh, ein Indianer kennt keinen Schmerz, das sagt sie oft.
»Egal. Gib mal das Papier her.«
Die Zeitung habe ich Papa geklaut, hinten in den Hosenbund gesteckt, hole sie raus, ist auch schon feucht, so wie wir. Nina reißt sie mir aus der Hand, ein paar Fetzen fliegen davon.
»Hey, so werden keine Schiffchen draus!«
Aber sie faltet schon. Zuerst zur Malerkappe, dann zum ersten Schiff. »Jetzt pass auf, Jenny, du darfst das erste in die Fluten setzen.«
Dazu muss ich mich weit über den Felsrand beugen, ich zögere, da schubst sie mich ungeduldig, mein Herz klopft wie verrückt, bald wäre ich abgestürzt.
»Ach, Jenny, du Baby, ist nix passiert.« Sie wirft das Schiff nun selbst, lacht laut, als es vom Wasser verschluckt wird und unten wieder schwankend und reichlich kaputt an die Oberfläche kommt. »Jetzt du!«
»Nein!«
»Baby, Baby!« Nina stippt mir auf die Brust. »Ha, ab jetzt nenne ich dich Baby.«
»Mir egal!« Ich hab genug und klettere runter zum Bach.
Sie steht oben und faltet und faltet, wirft die Schiffchen in den Wasserfall, kreischt, die ist echt kindisch, mich aber Baby nennen, pah! Ich sitze am Ufer und werfe Kiesel, ist eh viel lustiger als da oben. Schon wieder kreischt sie, ich schau gar nicht mehr hin.
Brüllen. »Jenny!«
Nun sehe ich doch zu ihr, springe auf, denn Nina hängt an der Felswand auf der Wasserfallseite, hält sich gerade noch mit den Händen, was soll ich denn machen? Schürfe mir Schienbeine und Knie auf, so schnell klettere ich zu ihr, meine Nina, oh Gott! Sie ist patschnass, ich lege mich auf den Bauch und kriege ihre Knöchel zu fassen, verdammt, sie rutscht mir gleich weg! Aber dann legt sie ihre Hände um meine Handgelenke, sie packt zu, ich glaube, mir reißen gleich die Arme ab, doch ich ziehe und zerre, bis ihre Füße Halt haben, dann liegt sie neben mir, keucht und weint zur Abwechslung mal auch. Sie schnieft, legt den Kopf auf meine Brust.
»Baby, danke. Nie werde ich das vergessen. Du hast mein Leben gerettet.« Das ganze Gesicht küsst sie mir ab, hört gar nicht mehr auf damit.
Langsam steigen wir wieder runter, sitzen eine Zeit am Bachufer. Unsere Schürfwunden bluten noch ein bisschen und Nina beugt sich zu meinen Schienbeinen, leckt das eine ab, kitzelt.
»Jetzt du mein Knie. Ab nun sind wir Blutsschwestern, Baby.«
Ich lecke ihr Knie ab, schmeckt nach Eisen, das Blut.
»Blutsschwestern, ja.«
Wir verschränken unsere Hände ineinander, sehen uns in die Augen.
»Der Schwur, Nina, der muss noch.«
»Okay, du zuerst.«
Ich überlege, soll ja für immer halten, dann: »Blutsschwestern ein ganzes Leben, unsere Träume sollen wahr werden, ich werde eine berühmte Modeschöpferin und du mein schönstes Modell. Jetzt du.«
»Blutsschwestern ein ganzes Leben, unsere Träume sollen wahr werden, die Liebe ewig sein. Gut so?«
»Ja. Und du darfst mich Baby nennen, wenn du magst.« (...)