3. Oktober 2018

Wohnzimmerlesung

Die Agentur Simmet kommt ins Haus und macht ein hübsches Video.
Hab ich machen lassen. Viel Spaß, sind nur 5 Minuten.
Eure Elsa


20. September 2018

Ohne Schuld - Elsa Rieger & Victoria Suffrage




Sie sind wie Sonne und Mond, Feuer und Wasser. Gemeinsam träumen sie davon, als Designerin und Model die Metropolen der Welt zu erobern. Stattdessen wird Nina mit siebzehn schwanger, ausgerechnet von dem Mann, den Jenny wollte. Die Freundschaft der Frauen kriselt, zerbricht aber nicht.
Bis Tommy, Ninas Sonnenschein, tödlich verunglückt und beide Frauen verantwortlich scheinen. Nina, weil sie nicht aufgepasst hat und Jenny, weil sie das Gartentor offenließ.
Getrieben von Schuld, ohne eine Aussprache, zerbricht ihr großer Traum.
Um ihn zu retten, brechen die Frauen ihre Zelte in Wien ab und wollen ihr Glück in Südfrankreich suchen. Doch die Vergangenheit reist mit.
 





Leseprobe

Blutsschwestern

Heute nimmt Nina mich zu dem großen Abenteuer mit. Mir ist bang, obwohl mich meine Freundin immer wieder ermuntert.
»Also, Jenny, ist doch so, wir sind jetzt schon acht, große Mädchen, wie Papa immer sagt, ich mein, den Schulweg dürfen wir auch allein …« Nina zwinkert mir so lustig zu, ich kann unmöglich Nein sagen zur Mutprobe.
»Okay, stimmt, aber zum Wasserfall, das ist ziemlich gefährlich, und meine Mama hat das verboten, kennst sie ja, die ist urstreng.«
Nina schüttelt ihre Haare, die nenne ich immer Mohnblumenhaare, weil irgendwie leuchten sie so dunkel und wehen auch so zart im Sommerwind wie gerade jetzt. Meine sind total langweilig blond und zu kurz, um zu wehen. Manchmal reiße ich an ihnen, aber sie wollen nicht wachsen, die blöden.
»Na, und?« Übermütig macht Nina einen Hüpfer. »Wir basteln dann aus dem Zeitungspapier Schiffchen und lassen sie runtersausen, das wird ein Spaß!« Wir sind am Bach, ich sehe den Wasserfall bereits, da müssen wir noch raufklettern über die Steine. Hab keine Lust dazu, ehrlich. Nina ist viel schneller als ich, logisch, ist ja auch dünner, die sieht eh immer aus, als könnte sie gleich davonfliegen. Schmetterling und Grashüpfer eben. Ich schau zur Sonne rauf, da fliegen sie, ihre Mohnblumenhaare ausgebreitet wie ein Fächer.
»Jenny, komm jetzt, los geht’s!«
Ups, sie hat schon den ersten Stein bestiegen, okay, ich mach halt mit und balanciere, damit ich nicht rutsche, ganz nass ist alles vom sprudelnden Wasser. So aus der Nähe sieht das echt wild aus, gruselig. Ui, jetzt ist sie mit den Sandalen ja doch ausgerutscht, klammert sich fest, geht weiter. Nun habe ich richtig Angst gekriegt und bin noch vorsichtiger. Ich mein, drei Meter sind eben drei Meter und Mama hat gesagt, das ist gefährlich, wenn die wüsste … dann darf ich nie mehr aus meinem Kinderzimmer raus.
Nina steht oben. »Huhu, Schlafmütze, komm endlich! Ist so toll hier.« Sie winkt begeistert.
»Dein Knie ist blutig.« Hab’s geschafft, bin bei ihr, wir hocken ganz am Rand vom Wasserfall, nass sind wir auch. Nina zuckt nur mit den Schultern, ja, eh, ein Indianer kennt keinen Schmerz, das sagt sie oft.
»Egal. Gib mal das Papier her.«
Die Zeitung habe ich Papa geklaut, hinten in den Hosenbund gesteckt, hole sie raus, ist auch schon feucht, so wie wir. Nina reißt sie mir aus der Hand, ein paar Fetzen fliegen davon.
»Hey, so werden keine Schiffchen draus!«
Aber sie faltet schon. Zuerst zur Malerkappe, dann zum ersten Schiff. »Jetzt pass auf, Jenny, du darfst das erste in die Fluten setzen.«
Dazu muss ich mich weit über den Felsrand beugen, ich zögere, da schubst sie mich ungeduldig, mein Herz klopft wie verrückt, bald wäre ich abgestürzt.
»Ach, Jenny, du Baby, ist nix passiert.« Sie wirft das Schiff nun selbst, lacht laut, als es vom Wasser verschluckt wird und unten wieder schwankend und reichlich kaputt an die Oberfläche kommt. »Jetzt du!«
»Nein!«
»Baby, Baby!« Nina stippt mir auf die Brust. »Ha, ab jetzt nenne ich dich Baby.«
»Mir egal!« Ich hab genug und klettere runter zum Bach.
Sie steht oben und faltet und faltet, wirft die Schiffchen in den Wasserfall, kreischt, die ist echt kindisch, mich aber Baby nennen, pah! Ich sitze am Ufer und werfe Kiesel, ist eh viel lustiger als da oben. Schon wieder kreischt sie, ich schau gar nicht mehr hin.
Brüllen. »Jenny!«
Nun sehe ich doch zu ihr, springe auf, denn Nina hängt an der Felswand auf der Wasserfallseite, hält sich gerade noch mit den Händen, was soll ich denn machen? Schürfe mir Schienbeine und Knie auf, so schnell klettere ich zu ihr, meine Nina, oh Gott! Sie ist patschnass, ich lege mich auf den Bauch und kriege ihre Knöchel zu fassen, verdammt, sie rutscht mir gleich weg! Aber dann legt sie ihre Hände um meine Handgelenke, sie packt zu, ich glaube, mir reißen gleich die Arme ab, doch ich ziehe und zerre, bis ihre Füße Halt haben, dann liegt sie neben mir, keucht und weint zur Abwechslung mal auch. Sie schnieft, legt den Kopf auf meine Brust.
»Baby, danke. Nie werde ich das vergessen. Du hast mein Leben gerettet.« Das ganze Gesicht küsst sie mir ab, hört gar nicht mehr auf damit.

Langsam steigen wir wieder runter, sitzen eine Zeit am Bachufer. Unsere Schürfwunden bluten noch ein bisschen und Nina beugt sich zu meinen Schienbeinen, leckt das eine ab, kitzelt.
»Jetzt du mein Knie. Ab nun sind wir Blutsschwestern, Baby.«
Ich lecke ihr Knie ab, schmeckt nach Eisen, das Blut.
»Blutsschwestern, ja.«
Wir verschränken unsere Hände ineinander, sehen uns in die Augen.
»Der Schwur, Nina, der muss noch.«
»Okay, du zuerst.«
Ich überlege, soll ja für immer halten, dann: »Blutsschwestern ein ganzes Leben, unsere Träume sollen wahr werden, ich werde eine berühmte Modeschöpferin und du mein schönstes Modell. Jetzt du.«
»Blutsschwestern ein ganzes Leben, unsere Träume sollen wahr werden, die Liebe ewig sein. Gut so?«
»Ja. Und du darfst mich Baby nennen, wenn du magst.« (...)



 


 

16. Dezember 2017

Von Friedhofsbesuchen, trockenem Schweinebraten und Zähnen auf der Serviette: Weihnachten bei Elsa Rieger

Qindie bat mich zum Weihnachtsinterview




Hier noch mal in voller Länge:

Heute reisen wir nach Wien, doch als ich das Interview mit unserer heutigen Gastgeberin gelesen habe, fühlte ich mich ein bisschen nach Skandinavien versetzt, in die Anfangsszenen des Films „Fanny und Alexander“, das lebensfrohe Weihnachtsfest.

1. Wo bist du aufgewachsen und wie habt ihr dort Weihnachten gefeiert?
In Wien. Dort ging es so zu im Advent und am Heiligen Abend:
„Maria durch den Dornwald ging, Kyrieleison“, spielten wir auf Blockflöten an den Adventsonntagen daheim.
Die Vorweihnachtsgeheimnisse, ich werde sie niemals vergessen. Die Eltern lächelten unschuldig und halfen, Briefe ans Christkind zu verfassen, als ich und meine Geschwister noch zu klein dazu waren.
Später schrieben wir sie selbst, auch nachdem uns längst bekannt war, wer Weihnachten ausrichtete.
Die verzierten Kuverts deponierten wir aufgeregt zwischen den Fensterflügeln, ehe wir zu Bett gingen. Und am nächsten Morgen lag Sternenstaub statt der Briefe dort.
Am Tag des Heiligen Abend brach daheim unvermittelt Hektik aus. Nach einem schnellen Frühstück warf Oma jeden aus ihrem Reich, der Küche, hinaus. Wir Kinder wurden in unsere Paletots geschüttelt und mit Papa vor die Tür gesetzt.
Nun war Weihnacht!
Nach einem langweiligen Friedhofsbesuch folgte ein Spaziergang auf den Christkindlmarkt. Hier gab es Glanz und Glitzer, nur hier. Und viele Väter mit Kindern, die wie wir die Wohnungen verlassen hatten. Wir schleckten rosarote Zuckerwatte und kandierte Äpfel; die Papas futterten Bratwürstel und prosteten einander mit Glühwein zu. In der Luft lag ein Duft von Zucker, Senf, gebrannten Mandeln und Alkohol. Wir fuhren mit einem kleinen Ringelspiel im Kreis.
Halberfroren kehrten wir am Nachmittag heim.
Bis auf die Bahnhofsrestaurationen, in denen sich die Einsamen und Gestrandeten trafen, war die Stadt gegen siebzehn Uhr leergefegt. Hinter den Fenstern wurde es Licht und das Warten begann.
Im Weihnachtszimmer, das seit dem Morgen zugesperrt war, knarrte der Parkettboden verdächtig.
„Psst“, sagte Papa und legte den Zeigefinger an die Lippen, „das Christkind.“
Wir kicherten und mein Herz klopfte schneller.
Oma hatte ihre Kocherei beendet und ein elegantes Kleid angezogen. Onkeln und Tanten trafen nach und nach ein.
Als alle versammelt waren, verschwand Mama. Wieder knarrte es im Nebenzimmer, bald darauf ertönte endlich das ersehnte leise Glockenklingen.
Plötzlich war Mama wieder da und sagte erstaunt:
„Mir war, als hätte es eben geläutet? Ich glaube, das Christkind war da!“
Langsam, ganz langsam öffnete Papa die Türflügel und wir stürzten hinein.
„Ah“, sagten alle und „Oh!“
Im Halbkreis aufgereiht sangen wir falsch und auch richtig „Stille Nacht“, danach „Oh, du Fröhliche“ und zuletzt „Oh Tannenbaum“, während die Kerzenlichter im Hauch unserer Lieder tanzten.
Unter dem Baum stand mein großer Wunsch: Das Schaukelpferd.


2. Gab es Rituale für den Heiligabend und den ersten und zweiten Weihnachtstag?
Ja, natürlich. Oben sagte ich schon, die ganze Verwandtschaft feierte bei uns, da wir eine große Altbauwohnung in der Innenstadt bewohnten. Die Rituale wie oben beschrieben mussten eingehalten
werden.

Doch ehe meine Eltern sich entschlossen, den Heiligen Abend nur noch in unseren Räumen zu feiern, lief es anders ab. Ich war vielleicht 5 Jahre alt, da wurde zuerst im kleinen Rahmen bei uns daheim gefeiert und danach zu Tante und Cousins meines Vaters gefahren, auch in Wien, aber in einem anderen Bezirk. Mein Bruder und ich waren nicht wahnsinnig erbaut darüber, wollten wir doch mit unseren Geschenken spielen. Nun gut, wir konnten es nicht ändern.
Dort, bei unseren Verwandten, bezogen sich die rituellen Handlungen auf das Essen. Es gab einen Weihnachtsbaum, klar, auch kleine Geschenke für die Kinder, doch dann ging es zur Tafel. Meine Großtante Ada, Hausherrin, und ihr Sohn und ein und alles, mein Onkel Hugo, servierten traditionell Rotkraut, Semmelknödel und Schweinsbraten.
Das ging so: Tante Ada raste mit dem Bräter um den Tisch herum und knallte jedem eine Scheibe des Bratens, der seit gut 5 Stunden im Ofen vor sich hin getrocknet hatte und nun von lederner Konsistenz war, auf den Teller, Onkel Hugo schupfte den Knödel und das Rotkraut – auch verkocht und von grauer Farbe – hinten nach. Dann nahmen die beiden ebenfalls Platz. Nun saßen wir, Ada, Hugo, meine Eltern, Adas Schwester Ida, einst Soubrette in Prag, mein Onkel Hans, auch Bruder der Genannten, evangelischer Pfarrer (der liebste Onkel von allen) vor diesen Tellern.
Onkel Hugo, Papas Cousin, nahm in aller Ruhe seine Zähne raus und legte sie auf die Serviette. Jedes Mal. Mein Vater sagte: „Hugo! Du Trottel, das macht man nicht!“ Jedes Mal.
Hugo darauf: „So schmeckt’s aber besser.“ Jedes Mal. Unbeirrbar.
Daher wurde dann bald nur mehr in unserer Wohnung gefeiert mit kalten Platten.


3. Was habt ihr gegessen? Hast du ein Rezept für uns?
Wir aßen an Heilig Abend, wie gesagt, kaltes Buffet. Hühnerschenkel, Kartoffelmayonnaise-Salat, Beinschinken und edle Käse. Meine Oma buk Pastetchen und als Dessert gab es Petit Four aus der Konditorei. Das war dann alles gefahrlos zu verzehren von Onkel Hugo.
Ein Rezept habe ich auch: Toastscheiben auf beiden Seiten buttern, in den Ofen schieben, toasten und ehe sie verbrennen, eine Masse aus geriebenem Parmesan mit Frischkäse, gewürzt mit Paprikapulver, dick draufstreichen, fertigbacken. Schmeckt warm und kalt herrlich.


4. Welche Rolle spielten Geschichten oder die Weihnachtsgeschichte?
Da mein Großonkel Pfarrer war, gab es stets die Weihnachtsgeschichte als Auftakt nach den Weihnachtsliedern zu hören. Verlesen wurde sie von meinem Vater.

5. Welche Rituale hast du in dein Erwachsenenleben übernommen?
Eigentlich alle. Außer den Schweinsbraten von Tante Ada.
Ich lese nur etwas anderes vor:

Und es begab sich …
… und es begibt sich immer wieder, dass Menschen zueinander finden.
Von Abschieden versehrte Krieger des Lebens sind sie. Ein kleiner Haufen, der sich den Weg durch die Dunkelheit bahnt, um einen Augenblick des Lichts zu verspüren.
Näher zusammenrücken. Sich anschauen, wissen, und trotz allem lächeln. Denn das Lächeln lindert den Narbenschmerz. Den eigenen. Den der anderen.
Und so begibt es sich immer wieder, dass Menschen einander im Leuchten des Weihnachtsbaumes umarmen, das Fest der Liebe gemeinsam feiern.


6. Welche Bücher verschenkst du zu Weihnachten?
Diesmal trifft es sich gut mit Neuerscheinungen von Autoren, die meine Familie schätzt: Juli Zeh, Joachim Meyerhoff und die Biografie von Grischka Voss über sich und das Leben mit ihrem Vater, dem großartigen Künstler, der leider 2014 verstorben ist.

Frohe Festtage allen,
Elsa

Dieser Blog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.

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