9. April 2009

Adieu, liebe Freundin ....

Die österreichische Autorin Elfriede Gerstl ist heute nach langer schwerer Krankheit im Alter von 76 Jahren gestorben. Das teilte ihr Freund und Kollege Herbert J. Wimmer der APA mit.

Pointierte Schnappschüsse ihrer Zeit
"Alles, was man sagen kann, kann man auch beiläufig sagen": Dieses Gerstl-Zitat könnte als Motto über dem gesamtem Oeuvre der Wienerin stehen. Sprachgespür, subtiler Witz und das gezielte Auffangen von Zeitgeist, Trends und sprachlichen Codes kennzeichneten ihr Schreiben, das sich dem Wiener Idiom ebenso gern hingab wie dem Schriftdeutschen.

Elfriede Jelinek lobte die "unheimlich präzise Fragmenthaftigkeit" ihrer Gedichte, es gehe "nicht kürzer, nur länger, also schlechter". Gerade diese Knappheit, in die die Dichterin ihren Alltag verpackte, machte ihr Werk zu einer Sammlung pointierte Schnappschüsse ihrer Zeit: Ihr "Rohstoff" war oft Wien, ihre Heimat.

Gerstl wurde am 16. Juni 1932 in Wien geboren und überlebte als jüdisches Kind die Zeit des Nationalsozialismus in Wien in diversen Verstecken. Sie studierte Medizin und Psychologie und veröffentlichte seit 1955 vereinzelte Schriften.

Zugang zu allen literarischen Szenen. Gerstl verfasste Gedichte, Essays und kurze Prosastücke und war im Rahmen der Wiener Gruppe aktiv. Besonders dem Thema der Geschlechterrollen hatte sich die engagierte Feministin verschrieben. Literarisch hatte Gerstl nicht nur zur Wiener Gruppe, sondern zu allen relevanten literarischen Szenen in den 50er, 60er und 70er Jahren Zugang.

Ihre erste Buchpublikation war "Gesellschaftsspiele mit mir" (1962), in den Jahren darauf entstand in Berlin das bahnbrechende Werk "Spielräume". Zu ihren bekanntesten Veröffentlichungen zählt der Band "Kleiderflug. Schreiben, Sammeln, Lebensräume", der 2007 in erweiterter Form neu publiziert wurde.

siehe auch:
Hommage

4 Kommentare:

Миррослав Б Душанић hat gesagt…

Danke Dir für den Hinweis - sie war mir recht unbekannt…

Elsa Rieger hat gesagt…

Sie war die beste Freundin von Elfriede Jelinek, hat es selbst aber durch ihre stille Art nicht zu internationaler Berühmtheit gebracht.

Helmut Maier hat gesagt…

Schön, dass Du ihr die Hommage noch schreiben konntest, solange sie noch was davon hatte!

Liebe Grüße
Helmut

Elsa Rieger hat gesagt…

Lieber Helmut,

ja. Sie hat sich auch sehr gefreut darüber.

Lieben Gruß
ELsa

Dieser Blog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert.

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